Grenchen Drei Tage nach Schlägerei gibt es mehr Fragen als Antworten
daniela deck
Wer begann die Prügelei zwischen Ausländern und Rechtsextremen in Grenchen? Wurde geschossen? Welche Rolle spielte die Polizei in der Nacht auf Samstag? Augenzeugen und Ordnungskräfte schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
Die Bilanz der Schlägerei von Freitagnacht ist unerfreulich: Die Glasfront des Postgebäudes wurde beschädigt und Schaufenster der Stadt-Apotheke gingen zu Bruch. Der Sachschaden beläuft sich nach Angabe von Urs Eggenschwiler, Sprecher der Kantonspolizei, schätzungsweise auf 10 000 Franken. Ausserdem wurde ein Kantonspolizist beim Einsatz von einem Stein am Kopf getroffen und verletzt. «Der Polizist wurde ambulant behandelt und konnte das Spital anschliessend wieder verlassen», sagt Urs Eggenschwiler. Nach wie vor sei unklar, wer die Schlägerei begonnen hat. «Diese Sache wird uns noch einige Zeit beschäftigen», ist er überzeugt und hofft auf Zeugenaussagen.
Zuerst Krach zwischen zwei Frauen
Ein Augenzeuge ist Hans-Rudolf Rusterholz, nach eigenen Angaben Stammgast im Restaurant Passage. «Angefangen hat alles damit, dass zwei Frauen der rechten Szene im Gastrozelt des Gewerbe Events Streit miteinander bekamen und anfingen, sich zu prügeln.» Das bestätigt Carli Decurtins, OK-Präsident des Gewerbe Events, der deswegen um 23.30 Uhr die Stadtpolizei rief.
Derweil, so Rusterholz, hätten Ausländer vor dem Zelt begonnen, einige Rechtsextreme zu beschimpfen. Daraus habe sich die Schlägerei an der Centralstrasse entwickelt. «Anfangs habe ich versucht, einen mir bekannten Mann der rechten Szene aus der Sache herauszuhalten. Ich habe ihn am Arm gepackt und wollte ihn wegbringen. Ich konnte ihn aber nicht überzeugen, sich herauszuhalten.»
Im Verlauf der Schlägerei seien zwei Schüsse gefallen, sagt Rusterholz. Wer geschossen haben soll und wo, weiss er nicht. Bei der Kantonspolizei ist keine Meldung über Schüsse eingegangen, wie Polizeisprecher Urs Eggenschwiler erklärt. Auch Robert Gerber, Kommandant der Stadtpolizei, weiss nichts davon. Allerdings: «Das Gerücht, dass geschossen worden sei, habe ich gehört.»
Polizei passiv?
Ein schlechtes Zeugnis stellt Hans-Rudolf Rusterholz der Polizei aus. «Anfänglich war eine Patrouille der Stadtpolizei auf dem Festgelände. Die beiden hatten wohl Angst und unternahmen nichts.» Als sie Verstärkung hatten, sei das Trauerspiel vor der Post weitergegangen. «Da waren sieben Polizisten, die nur zuschauten.» Rusterholz kann nicht begreifen, warum die Polizei nicht die Leute auf der Terrasse des «Déja-vu» als Zeugen befragte. «Die haben alles gesehen.» Dazu sagt der Polizeisprecher: «Die Polizei wurde mit einem Steinhagel empfangen. Da hatte sie andere Prioritäten. Und wer sagt, dass die Leute dort mit uns reden wollen? Wer uns etwas mitteilen will, kommt auf uns zu. Das hat sich bisher bewährt.»
Nach Aussage von Hans-Rudolf Rusterholz wurde auch der Betreiber der Dropa Drogerie am Marktplatz, Markus Arnold, in die Auseinandersetzung verwickelt. Markus Arnold bestätigt das: «Ich habe einem Mann geholfen, der Pfefferspray ins Gesicht bekommen hatte. Zudem habe ich versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln.»
Vorwürfe gegen Stadtpolizisten
Xaver X.* gehört zu den Rechtsextremen , die Freitagnacht festgenommen wurden. «Nach 1 Uhr morgens habe ich die Polizei gerufen, weil Ausländer uns bedrohten», erzählt er. «Ich habe denen von den Schüssen auf uns erzählt, aber sie nahm das nicht ernst.» Dann sei X. festgenommen worden. «Im Untersuchungsgefängnis wurde ich von einem Stadtpolizisten fürchterlich traktiert. Ich habe überall blaue Flecken von dieser Behandlung.» X. will diese beim Arzt fotografieren lassen und rechtlich gegen besagten Polizisten vorgehen. Die Anzeige, die er deswegen nach eigenen Angaben gestern bei der Kantonspolizei einreichen wollte, sei dort nicht angenommen worden. Der Kommandant der Stadtpolizei, Robert Gerber, wollte sich zu den Vorwürfen gegen seinen Mitarbeiter nicht äussern.