Hobbys: Fernsehen, Festen und Kampftrinken
Ein Skinhead hat sich mit Polizeibeamten und WEF-Gegnern geprügelt. Nun wurde ein psychiatrisches Gutachten angeordnet.
Attila Szenogrady
Die Vorwürfe gegen den 24-jährigen Hilfsarbeiter wiegen schwer. So war der rechtsradikale Schweizer zwischen Herbst 2003 und Frühjahr 2004 an mehreren gewaltsamen Ausschreitungen von Rechtsradikalen als Rädelsführer massgeblich beteiligt. Eine von ihnen fand am 20. September 2003 statt. Nach einem Eishockeyspiel zwischen dem ZSZ und dem HC Davos kam es beim Hallenstadion zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Hooligans und der Stadtpolizei Zürich. Der Angeklagte bewarf in deren Verlauf einen Polizeibeamten gezielt mit einer Bierflasche und verletzte diesen am rechten Bein. Kurze Zeit später prügelte er auf einen anderen Polizisten ein. Dieser erlitt Verletzungen am Kopf.
Am 24. Januar 2004 führte der Angeklagte beim Zürcher Hauptbahnhof eine Gruppe von 50 Skinheads an. Er veranstaltete mit seinen Gesinnungsgenossen eine Hetzjagd auf WEF-Gegner, die soeben mit einem Zug in Zürich eingetroffen waren. Angesichts der Gewaltbereitschaft der Angreifer zogen es die Globalisierungsgegner vor, das Weite zu suchen. Allerdings wurde einer von ihnen vom Angeklagten beim Ausgang in Richtung Sihlpost eingeholt und zusammengeschlagen.
Acht Monate vor erster Instanz
Im Oktober 2005 kam es zu einem ersten Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich. Dieses verurteilte den damals untergetauchten Skinhead-Chef in unentschuldigter Abwesenheit wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Landfriedensbruchs sowie Vergehens gegen das Waffengesetz. Es wurde eine unbedingten Gefängnisstrafe von acht Monaten ausgesprochen. Dem Angeschuldigten wurde eine beträchtliche Brutalität und eine erhebliche kriminelle Energie attestiert. Das Bezirksgericht Zürich ging deshalb zwei Monate über den Strafantrag der Anklage hinaus. Die Verteidigung ging in die Berufung.
Gestern fand sich der Angeklagte vor dem Obergericht persönlich ein. Der kahlköpfige Hüne tat dies in Begleitung von zwei Polizeibeamten, da er zurzeit eine seiner zahlreichen Vorstrafen in einem Gefängnis absitzt. Bei der Befragung des Gerichtes zur Person kam heraus, dass er ein Scheidungskind war und bereits im Kindergarten wegen aggressiven Verhaltens in ein Heim gesteckt wurde. Auch später fiel der schlechte Schüler als äusserst gewalttätig auf. Im Jahr 1999 wurde er von der Berufswahlschule Uster bereits vier Monate nach seinem Eintritt wegen Gewaltakten aus dem Unterricht gewiesen. In einer späteren Untersuchung zur Freizeitgestaltung befragt, gab er «Fernsehen, Festen und Kampftrinken» als seine Hobbys an. Schon früh rutschte er in die rechtsradikale Szene ab, laut einem früheren Gutachter mit klar definierten «Hassgruppen»: Schwarzafrikaner, Polizeibeamte und Fans des FC Basel.
Bereits neue Strafuntersuchung
Vor den Oberrichtern zeigte sich der Angeklagte grundsätzlich geständig und behauptete, dass er heute trotz seines äusseren Erscheinungsbildes nicht mehr zu den Skinheads gehöre. Schon kurz darauf stand aber fest, dass bei der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland bereits wieder ein Strafverfahren gegen ihn läuft. Der Angeklagte soll im letzten August zusammen mit einem Skinhead jemanden «ausgenommen» haben. Gemäss dem Angeklagten hatte es sich um «eine kleine Abreibung» gehandelt. Die Staatsanwaltschaft sprach von einem klaren Raub. Hinzu kam, dass der Fürsorgebezüger ungeschminkt erklärte, dass er heute noch mit seinen rechtsextremen Kollegen gerne über den Durst trinke. Zudem sei es ihm schon früher in den Jugendheimen klar geworden, dass die Schweiz ein gröberes Ausländerproblem habe.
Unerfreuliche Entwicklung
Wegen der unerfreulichen Entwicklung des Angeklagten waren sich die Verteidigung und das Obergericht einig, dass nun der Beizug eines Psychiaters notwendig sei. Der Vorsitzende des Gerichtes, Daniel Bussmann, erklärte sogar, dass eine aktuelle Begutachtung des Angeklagten aufgrund von dessen Gewaltbereitschaft sowie des Hinweises auf eine bestehende Alkoholsucht dringend angezeigt sei. Das bedeutet, dass das Obergericht erst nach erfolgter Begutachtung zu einem Entscheid, womöglich verbunden mit einer Massnahme, kommen wird. Der Prozess wurde damit unterbrochen.