Zwei Jugendliche haben sich als Urheber der Plakataktion «Glarnerland macht blind» bei der Redaktion gemeldet. Aus Angst vor Reaktionen von Rechtsextremen, die sie erkennen könnten, wollen sie anonym bleiben.
Von Claudia Kock Marti
Glarus. – Zwei junge Männer warten am Bahnhof Glarus. Das müssen sie sein. «Ja, wir sind diejenigen, die für ein Gespräch mit der Zeitung abgemacht haben.» Auf der Wiese beim Volksgarten ist ein Tuch ausgebreitet, wo dieses stattfinden soll. Die Jugendlichen bestehen darauf, ihre Namen nicht öffentlich preiszugeben.
Rechtsextremismus auch hier
«Um uns vor gewissen Leuten zu schützen», sagt der eine. «Im Glarnerland kennen sich alle», ergänzt der andere. Deshalb nur so viel: Beide sind 17 Jahre alt und machen zurzeit eine Lehre. Sie sind Schweizer und im Glarnerland aufgewachsen. Nennen wir sie einfach Fritz und Moritz. *
«Viele sehen das Problem nicht, das sich auch im Glarnerland unter den Jungen ausbreitet», antworten sie auf die Frage, warum gerade jetzt im ganzen Kanton Plakate gegen Rechtsextremismus aufhängen. Sie sprechen von Vorurteilen gegen Ausländer, Fremdenhass, Anpöbeleien und den Vorfällen, die von diversen Chilbi- oder Fasnachtsveranstaltungen bekannt wurden.
«Das ist alles noch nicht so lange her. Wer betroffen ist, vergisst das nicht so schnell.» Ein Kollege sei an einer Chilbi zusammengeschlagen worden. Die Jugendlichen selbst haben keine solchen extremen Erfahrungen, erleben aber offenbar immer wieder fremdenfeindliche, ihnen Angst machende Situationen.
Wie gross die Glarner Rechtsextremen-Szene ist, wissen die beiden nicht. Auf irgendwelche Schätzungen wollen sie sich nicht einlassen. Dass es Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen aus verschiedenen Dörfern und Gruppierungen immer schon gegeben hat, lässt Moritz nicht gelten. Rechtsextreme, Faschos oder «die Schwarzen», wie sie sagen, hätten sogar Stammbeizen, wo sie ohne Angst mit Nazi-Zeichen herumliefen und ihre Parolen verbreiteten. Unter den Sympathisanten gebe es ganz Junge und auch viele Frauen. Moritz erklärt: «Diese Gruppen funktionieren wie Sekten. Es gibt Anführer, die sagen, was gemacht wird, und viel Gruppenzwang.»
Schnell ausgewähltes Sujet
Ein kreativer Kopf habe eine kleine Auswahl an Plakaten entworfen. «Das bekannte Sujet haben wir schnell ausgewählt, um damit ein Zeichen zu setzen», sagt Fritz. Die Plakate hätten sie aber nicht – wie in der Zeitung geschrieben – mit Kleister im ganzen Kanton angebracht, sondern «nur» mit doppelseitigem Klebeband.
«Wir wollen eine Diskussion anzetteln, die Leute aufrütteln, die Einstellung der Leute ändern», sagt Moritz. Sicher gebe es auch Schwierigkeiten mit Ausländern. Diese gut zu integrieren, sei der Weg. 14- oder 15-jährige Jugendliche müsse man rechtzeitig aus der rechtsextremen Szene herausholen.
Die Schulen sollten gut über Faschismus und die Nazizeit aufklären. «Es braucht die Unterstützung der Erwachsenen, auch von Experten. Wir Jungen können das nicht allein», nennen sie ihre Vorschläge, was zu tun sei.
Nicht nur schwarz
Beide loben die Schweiz als Nation mit vier Landessprachen, die damit auch verschiedene Mentalitäten integriere. Und auch im Glarnerland sehen sie nicht nur schwarz. Es gebe sogar Anzeichen eines Umschwungs. Beim kürzlichen Fest «Stark gegen Gewalt» sei es zwar schade gewesen, dass am Abend nur wenige kamen.
«Am Nachmittag sind mir bei einigen Auftritten von jungen Gruppen fast die Tränen gekommen», sagt Moritz. Und obwohl sie beide keine Skater seien: «Dass das Glarnerland den grössten Skatepark der Schweiz hinkriegt, ist cool.»