«Wir werden wegen des Styles kontrolliert»

MittellandZeitung

Jugendgewalt Aufgrund der Ereignisse in den vergangenen Wochen zeigte die Polizei am Samstag mehr Präsenz in Aarau. Prävention und Abschreckung waren angesagt. Begleitung einer Patrouille durch die Stadt.

heiko stegmaier

Neun Uhr abends. Der Kanti-Park ist in fahles Licht gehüllt, bei der Mensa liegen Bierdosen. Lautes Gejohle ist zu hören. Ein Tritt, es rumpelt, und Jugendliche verschwinden hinter der Mensa, sie gehen Richtung Stadtinneres. Das Rumpeln kam von einem grossen, als Mülleimer zweckentfremdeten Kübel. Er ist gefüllt mit leeren Bierflaschen.

In den letzten Wochen kam es in der Kantonshauptstadt und in der Region vermehrt zu Ausschreitungen unter Jugendlichen. Die Frage drängt sich auf, ob die Gewaltbereitschaft zunimmt oder ob es sich um eine zufällige Häufung derartiger Ereignisse handelte.

Keine Pöbeleien am Bahnhof

In der Bahnhofunterführung steht rund ein Dutzend Jugendlicher vor dem Aperto. Sie haben sich bereits mit Alkohol eingedeckt und warten auf ihre Kollegen, die sich noch im Geschäft aufhalten. Ein paar Meter weiter steht eine andere Gruppe um einen Gitarristen herum, der ein Lied singt und später mit der ganzen Gruppe in den Kanti-Park geht, um dort weiterzuspielen. Polizeipatrouillen sind um diese Zeit auf dem Bahnhofgelände nicht zu sehen. Man versteht, weshalb sich Reisende unwohl fühlen. So ist auch den zwei Pensionären die Unsicherheit anzusehen, als sie sich den Weg durch wartende Jugendliche vor der Treppe bahnen.

Ein anderer Mann lästert über die Jugend und die heutige Zeit: «Es wird immer schlimmer.» Auf einer Parkbank nebenan küssen sich zwei Verliebte. Pöbeleien sind keine zu hören. Den Eindruck, dass es bald zu einer Schlägerei auf dem Gelände kommen könnte, hat man auch nicht. Trotzdem, ein ungutes Gefühl nachts am Bahnhof in Aarau ist nachvollziehbar.

Missachtung der Ordnung

Zehn Uhr. Eine Patrouille der Stadtpolizei Aarau trifft am Bahnhof ein – in Begleitung von Stadtrat Rudolf Zinniker. Er verschafft sich gemeinsam mit der Polizei ein Bild über die Situation. Ebenfalls auf dem Gelände patrouillieren zwei Angestellte der Bahnpolizei. Sie kommen gerade von einer Personenkontrolle. Grund für die Abklärung der Personalien: Auffälliges Verhalten und Missachtung der Bahnhofordnung. «Die Zusammenarbeit mit der anderen Polizei ist sehr gut», erklären die Bahnpolizisten. Ihre Namen dürfen sie nicht nennen. Amdy, einer der Jugendlichen, ist überzeugt, dass er nur wegen seines «Styles» kontrolliert wurde. Andere Jugendliche erzählen von einer Schlägerei, in die einer von ihnen verwickelt war. Sie erzählen die Geschichte mit Stolz in ihren Stimmen.

Ein paar Häuser weiter, vor dem «Penny Farthing», stehen kahl geschorene Jugendliche. Einer trägt einen Pullover mit der Aufschrift «Kämpfen und Siegen». Auf dem Trottoir sammeln sich leere Bierflaschen an. Mittlerweile sind auch Patrouillen der Kantonspolizei am Bahnhof eingetroffen. Zwei Vierergruppen gehen getrennt auf ihren Weg und führen routinemässige Personalkontrollen durch. Kurze Zeit später treffen sie sich wieder vor dem Postgebäude. Eine Gruppe Jugendlicher wird kontrolliert, «Bullenschweine», hört man einen von ihnen rufen. «Diese Jugendlichen kann man der rechtsextremen Szene zuordnen», erklärt Patrouillenchef Wolfgang Töngi. Zehn Minuten wird diskutiert, dann gehen die Polizisten weiter. Derartige Beleidigungen bekämen sie oft zu hören.

Im Vergleich zum Freitag, so die Polizisten, sei es eher ruhig. Je nach Partyangebot in der Stadt kommen andere Gruppen nach Aarau. Die Polizisten patrouillieren dennoch aufmerksam.

Keine besonderen Ereignisse

Vor dem Flösserplatz sitzt ein Mädchen betrunken auf dem kalten Boden. Einer der Polizisten kümmert sich um sie, fragt nach dem Befinden. «Habt ihr keine Decke, oder eine Jacke, auf die sie sitzen könnte?», die anderen Jugendlichen verneinen. Der Freund des Mädchens ist hinzugekommen und hilft. «Kann ich einen von euch kurz sprechen?», ein Polizist geht mit einem Party-Teilnehmer des «Flössers» zur Seite. Hooligans habe man nicht ins Gebäude gelassen. Sie hätten gedroht, mit einer grösseren Gruppe wiederzukommen, um Ärger zu machen. Die Polizisten bleiben vor dem «Flösser» stehen. Falscher Alarm. Der Samstag bleibt ruhig, ausser quietschenden Reifen und Betrunkenen gibt es keine besonderen Ereignisse.

Routinemässige Personalkontrollen: Wer sich am Samstagabend am Bahnhof in Aarau aufhielt, musste damit rechnen, von Polizisten angehalten zu werden.

Grösserer Polizeieinsatz in Aarau

Starke Präsenz nach einem Wochenende der Gewalt

Vor einer Woche kam es quer durch das Kantonsgebiet zu Prügeleien. Rechtsextreme, Autonome und Ausländer lieferten sich Keilereien. Es gab Verletzte und Verhaftungen. Insgesamt mussten Einsatzkräfte der Polizei 19-mal ausrücken. Da sich derartige Ereignisse nicht wiederholen sollten, zeigte die Polizei während der letzten Tage grössere Präsenz, insbesondere an den kritischen Wochenendtagen. So traf man am Samstag in Aarau auf die Routinepatrouille der Stadtpolizei, unterstützt durch weitere Polizisten der Kantonspolizei. Zusätzlich waren auf dem Bahnhofgelände zwei Angestellte der Bahnpolizei unterwegs und führten Personenkontrollen durch. Insgesamt blieb es ein ruhiges Wochenende in Aarau. Vielleicht auch wegen der verstärkten Polizeipräsenz.