St. Galler Tagblatt: Über 15 000 Menschen haben die «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» (Pegida) in Dresden mobilisiert. Die Politik reagiert zunehmend irritiert.
15 000 Menschen hat die Bewegung Pegida am Montagabend in Dresden gegen die angebliche Islamisierung Deutschlands mobilisiert. Vor Wochenfrist waren es noch 10 000 gewesen.
Aber anders als vor einer Woche waren in der Stadt auch 6500 Demonstranten auf der Strasse, die «Dresden für alle» und «Dresden Nazi-frei» skandierten. Eine Polarisierung, deren weiterer Verlauf nicht absehbar ist.
Meinungsfreiheit, die sie meinen
Pegida-Chef Lutz Bachmann begrüsste die Teilnehmer seiner Kundgebung zum Abendspaziergang «gegen Glaubenskriege und für Meinungsfreiheit». Was er darunter versteht, formuliert er so: Die Politiker der etablierten Parteien sind «Volksverräter», die Gegendemonstranten «Linksfaschisten». Dann tritt eine blonde Frau ans Mikrophon und eröffnet ihre Wortmeldung mit dem Appell: «Keine Interviews mit der Presse, kein Wort zu den Hetzern.» Aus Tausenden Kehlen schallt es zurück: «Lügenpresse.»
«Deutsche Sitten»
Dann referiert die Rednerin über eine Art Programm der Bewegung: «Flüchtlinge ja, wenn sie wirklich in Not sind. Andere Ausländer nur, wenn man sie in der Wirtschaft brauchen kann. Alle andere müssen weg. Wir lieben unsere Heimat.» Für alle Einwanderer müsse deshalb gelten: «Deutsche Sitten, deutsche Bräuche, deutsche Kultur», sagt sie mehrmals. Und: «Wem das Wörtchen Deutsch nicht passt, der kann doch einfach gehen.»
Dann zieht die Demonstration Richtung Stadtpark los. Wie zu Zeiten der Massenproteste gegen die DDR-Diktatur rufen Tausende: «Wir sind das Volk» – gemeint ist das deutsche Volk. Und: «Wir werden immer mehr.»
«Gift für das politische Klima»
Während die Pegida-Bewegung immer mehr Zulauf, aber auch mehr Gegner bekommt, reagieren deutsche Politiker immer irritierter. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagt, die Pegida-Kundgebungen «sind Gift für das politische Klima im Land». Sie schürten Hass, trieben ein gefährliches Spiel mit fremdenfeindlichen Ressentiments und Vorurteilen.
Und die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel sagt: «In Deutschland gilt zwar Demonstrationsfreiheit. Aber es ist kein Platz für Hetze und Verleumdung von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen.» Jeder müsse aufpassen, «dass er nicht von den Organisatoren einer solchen Veranstaltung für rechtsextreme Politik instrumentalisiert wird».
Generalverdacht und Schweigen
In Dresden sind an diesem Abend natürlich nicht 15 000 Neonazi auf der Strasse. Gegen diesen Generalverdacht wehren sich die Demonstranten zu Recht. Viele fühlen sich von der Politik einfach nicht mehr ernst genommen – sehen nur noch Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg – in der Asylpolitik oder in der EU.
Allerdings sind bisher kaum Distanzierungen zu hören, etwa von den Brandstiftungen an zwei Flüchtlingsheimen in Bayern, oder wenn sich in Sachsen ein Pegida-Anhänger selber verletzt, um dann einen Angriff von «Asylanten» anzuzeigen. «Wehret den (braunen) Anfängen», ist eine Losung, die in der Bewegung bisher kaum jemand für nötig hält.