20 minuten online: von R. Neumann – Eine «Guerillagruppe 0» hat ein Stück Rütliwiese «entführt». Ihr Ziel ist etwas diffus.
Wer die Schweiz bis in ihr Mark erschüttern will, wer will, dass es jedem braven Schweizer kalt den Rücken hinunterläuft, der vergreife sich an der Rütliwiese. An jenem unschuldigen grünen Fleck am Vierwaldstättersee, wo die Wiege der Eidgenossenschaft liegen soll. Wer also Aufmerksamkeit will, der verhalte sich an jenem Ort ungebührlich.
Und das kommt immer wieder vor: Rechtsextreme benutzten die schöne Wiese, um auf ihr mittels schief ausgestrecktem Arm einem deutschen Massenmörder zu huldigen. Andere benutzten die Wiese, um dort Feuerwerkskörper in die Luft zu jagen und als «Rütli-Bomber» Schlagzeilen zu machen.
Bekennerschreiben verschickt
Und nun das: Ein grosses Stück Wiese wurde herausgeschnitten und entfernt. Wo frisches Grün die wackeren Eidgenossen (und Touristen) trug, klafft nun eine braune Wunde. Wer tut so was? Die «Guerillagruppe 0» offenbar. «Wir haben die Rütliwiese entführt», schreiben sie in einem Bekennerbrief an 20 Minuten. Es gehe der Wiese jedoch den Umständen entsprechend gut.
Was stark zu bezweifeln ist: Immerhin schicken die Wiesenmörder in einem Cellophan-Säckchen sterbliche Überreste des Rütli: Herausgerissene Halme und Dreck. Und 20 Minuten ist nicht der einzige Empfänger. Auch andere Medien, alle grossen Parteien, Bundespräsident Johann Schneider-Ammann und andere hätten dieselbe Sendung erhalten, schreiben sie.
«Alle Symbole sollen fallen» Das Ziel der Guerillagruppe? Der Sprecher der Gruppe, Beni von Wyl, sagt: «Wir sind eine Selbsthilfegruppe, die vorgefertigte Weltbilder abzutragen versucht.» Sie seien auf der Suche nach der Welt hinter den Symbolen. Die Einteilung der Welt in Kategorien geschehe heute viel zu schnell.
Ist diese Erklärung für den Normalbürger nicht viel zu abstrakt? Von Wyl entgegnet: «Damit das nicht zu abstrakt ist, haben wir mit der Wiese ein praktisches Beispiel gewählt. Dass dies vielleicht nicht alle gut finden, nehmen wir hin.»
«Ihre Gefühle interessieren mich» Die Gruppe betreibt eine Webseite, auf der den Besucher eine wirre Collage von GIFs empfängt – und eine Telefonnummer. Wer diese wählt, hört eine Männerstimme ab Band: «Weshalb haben Sie angerufen? Ihre Gefühle interessieren mich. Der Ursprung Ihrer Gefühle interessiert mich. Meine Gefühle habe ich in einer Geschichte vermauert. Ich werde mich bei Ihnen melden und Ihnen meine Geschichte erzählen.»
Aber niemand meldet sich.
Und nach so viel Gefühlsduselei können wackere Eidgenossen (und Touristen) nur hoffen, dass bald Gras über die Sache wächst.
Die Betreiberin der Rütliwiese, die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, ist über die Aktion überhaupt nicht erfreut. Geschäftsführer Lukas Niederberger sagt: «Das geht natürlich nicht. Die Gruppe hätte vorher mit uns reden sollen, dann hätten wir eine Lösung gefunden.» Für den materiellen Schaden werde die Gruppe aufkommen müssen. «Nun suchen wir erst mal das Gespräch mit den Verantwortlichen.»