Der Sonntag vom 08.07.2012
Im Internet rufen SVP-Anhänger zu Gewalt gegen Ausländer, Muslime und Linke auf – einzelne Kantonalparteien beginnen nun damit, ihre Mitglieder besser zu kontrollieren
Peter Burkhardt und Alan Cassidy
Die SVP stellt die rassistischen Entgleisungen von Beat Mosimann und Alexander Müller als Einzelfälle dar. Doch auf Facebook wüten etliche Parteimitglieder und Sympathisanten gegen Ausländer und den Islam.
Am rechten Rand der SVP wird es gruselig. Zum Beispiel, wenn das Parteimitglied Andrea F. aus Wiesendangen ZH zu einer ihrer regelmässigen Tiraden gegen den Islam ausholt. Auf Facebook bezeichnet sie die Muslime pauschal als «Nazis von heute» oder als «Pest» und fordert zu Gewalt gegen sie auf: «Affen und Schweinen mit falschem Glauben wünscht man nichts Gutes, denen wünscht man lediglich den Tod.» F. hasst auch Asylbewerber. Einen Bericht zu tunesischen Flüchtlingen kommentiert sie so: «Sturmgewehr im Anschlag, ein Loch ins Boot machen und dann der Befehl umdrehen …»
F. hat zwei Gesichter. In der SVP Wiesendangen sei sie ein unauffälliges Mitglied, beteuert Präsident Heinrich Peter. Auf Facebook ist sie gleichzeitig eng mit der Rechtsaussen-Szene verknüpft. So verweist sie auf Facebook-Seiten der rechtsextremen deutschen NPD und tauscht sich mit dem Solothurner Rassisten Beat Mosimann aus. Auch der Kristallnacht-Twitterer Alexander Müller gehörte zu ihren Facebook-Freunden.
Andrea F. ist nur ein Beispiel dafür, dass die SVP nach rechts ein Abgrenzungsproblem hat. Mit dem Aufkommen von sozialen Medien hat sich dieses noch verschärft. Auf Facebook besteht ein eigentliches Netzwerk, wo sich SVP-Mitglieder, Anhänger der rechtsextremen Partei National orientierter Schweizer (Pnos) und Parteilose aus dem rechtsextremen Spektrum regelmässig austauschen. Dazu benutzen sie Facebook-Gruppen wie «Crusader» (deutsch: Kreuzritter), «Unsere Dörfer sind keine Auffanglager für Wirtschaftsflüchtlinge» oder «Freie Schweizer Revolution».
Nicht jeder Eintrag ist rassistisch. Aber es finden sich viele Äusserungen, die schlecht zu einer demokratischen Partei passen. Auf der Facebook-Gruppe «Ich schäme mich nicht für das Resultat der Minarett-Initiative» etwa ruft die Luzerner SVP-Anhängerin Brigitta Maria W. dazu auf, den Islam als «Geissel der Menschheit» auszurotten. Das St. Galler SVP-Mitglied Diana R. schreibt zu Islamisten: «Die sollte man endlich ausrotten können.» Und sie findet den Vorschlag eines Facebook-Freundes gut, auf den Baustellen von Moscheen tote Schweine zu vergraben. Damit werde der Boden für die gläubigen Muslime unrein und komme als Standort nicht mehr infrage.
Diana R. ist in der SVP nicht irgendwer. Sie vertrat die St. Galler Kantonalpartei an den letzten beiden schweizerischen Delegiertenversammlungen. Eine ihrer Freundinnen ist die Aargauerin Brigitte H. Sie steckte hinter der Facebook-Fanseite «Digitale Schneeflocke gegen ewige, haltlose Nazi-Diffamierungen von Linken», auf der regelmässig zu Gewalt gegen Muslime und Linke aufgerufen wurde. Bis vor kurzem war H. ebenfalls in der SVP, inzwischen ist sie laut eigenem Bekunden ausgetreten. Im Internet veröffentlichte sie einen Link auf eine Neonazi-Internetseite. Sie sei keine Nationalsozialistin, sagt H., «aber auch die haben manchmal eine gute Idee».
Wie offen die SVP für Rechtsextreme ist, zeigt der Fall des Uzwilers Ignaz B. Er war jahrelang in der Neonazi-Szene aktiv und trat dann in die Junge SVP des Kantons St. Gallen ein. Nach seinen Angaben wusste die SVP von seiner rechtsextremen Gesinnung. Auf Facebook schrieb er: «Ich habe der SVP von Anfang an kommuniziert, dass ich ursprünglich aus dem nationalen Spektrum komme.»
Schon bald machte B. aber Probleme: Er gründete ohne Erlaubnis der Partei einen «Freundeskreis SVP-FPÖ» (inzwischen heisst er «Freundeskreis Schweiz – Österreich) und eröffnete einen Online-Shop für SVP-Souvenirs. Dort veröffentlichte er Videos mit Musik der rechtsextremen Band Act of Violence. Als dies der SVP zu Ohren kam, verbot sie ihm die Verwendung von Logo und Namen. B. trat darauf wutentbrannt aus der Partei aus. Herbert Huser, der Präsident der St. Galler SVP, behauptet, B. sei gar nie Parteimitglied gewesen. Dem «Sonntag» liegt jedoch das Begrüssungsschreiben der Jungen SVP vom 17. Juli 2010 vor, welches das Gegenteil beweist.
Auffällig ist, wie viele Frauen sich in der Szene tummeln. So rief Anita N., Vorstandsmitglied der SVP der Stadt Zürich, öffentlich zu einem rassistisch motivierten Boykott muslimischer Verkäuferinnen auf, die ein Kopftuch tragen. In einer Migros-Filiale sei es so bereits gelungen, eine Kassierin rauszuekeln. Auf der Facebook-Gruppe «Heimat mit Zukunft» machte N. ihrem Ausländerhass Luft. Sie schrieb, man müsse «mal laut und deutlich sagen, dass Flüchtlinge, gleich woher, Asylanten und Zuwanderer unsere Umwelt verpesten».
Zaghaft beginnt nun die SVP, sich von solchem Gedankengut zu distanzieren. Vom Fall Beat Mosimann aufgeschreckt, hat der Präsident der Solothurner Amtspartei Bucheggberg-Wasseramt, Hans Marti, ein Parteimitglied damit beauftragt, die einschlägigen Facebook-Seiten nach rassistischen und gewaltverherrlichenden Einträgen von Parteimitgliedern zu durchforsten. Fliegt jemand auf, soll er aus der Partei ausgeschlossen werden. «Damit wollen wir aus den Schlagzeilen herauskommen», sagt Marti.
Der Solothurner SVP-Kantonalpräsident Walter Wobmann kann sich vorstellen, diese parteiinterne Facebook-Kontrolle im gesamten Kanton einzuführen. Von den Amts- und Ortsparteien hat er verlangt, Neumitglieder besser zu durchleuchten. Die Präsidenten der St. Galler und Berner Kantonalparteien, Herbert Huser und Rudolf Joder, halten diese Selbstkontrolle für eine gute Idee. «Die SVP muss aufmerksamer sein, weil wir uns von den Rechtsextremen abgrenzen wollen», sagt Huser.
Führende Köpfe der SVP sprechen sich jedoch gegen eine «Gesinnungskontrolle» ihrer Mitglieder aus. Er halte nichts von Verhaltensregeln, sagt Generalsekretär Martin Baltisser. Diese liessen sich ohnehin nur schwer durchsetzen. Auf «Teleblocher» sagte Christoph Blocher diese Woche: «Ich bin nicht dafür, dass man in den Parteien Gesinnungsprüfungen macht. Und man muss auch aufpassen, dass man nicht alle sogenannten Spinner aus den Parteien rausdrückt.» Das gebe gefährliche Bewegungen. «Wenn Sie die Spinner ausgrenzen, gründen diese eigene Parteien.»
Weniger Anzeigen wegen rassismus
Seit 1995 gilt in der Schweiz die Antirassismus-Strafnorm, die rassistische Äusserungen in der Öffentlichkeit verbietet. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Verstösse gegen die Strafnorm gesunken, bleibt indes auf vergleichsweise hohem Niveau. Gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik gingen 2011 insgesamt 182 Verzeigungen bei den kantonalen Strafverfolgungsbehörden ein. 2010 waren es 204 Verzeigungen gewesen, im Jahr davor noch 230. Zum Vergleich: Zwischen 1995 und 2004 zählte die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus insgesamt 277 Fälle. Effektiv verurteilt wurden 2010 49 Personen (2009: 55 Verurteilungen). Neuere Zahlen liegen nicht vor. Die Schweizer Demokraten wollten 2007 die als «Maulkorb-Gesetz» bezeichnete Antirassismus-Strafnorm wieder abschaffen, brachten jedoch nicht genug Unterschriften für eine Volksinitiative zustande. Der Nachrichtendienst des Bundes überwacht Neonazis, Holocaustleugner oder Rassisten seit diesem Jahr nicht mehr. Tätig wird er nur noch, wenn ein politischer Extremist zu Gewalt aufruft, Gewalt ausübt oder einer verbotenen Organisation angehört. (AC)