Die Wochenzeitung: Sie wollten Härte zeigen – jetzt geben die Organisatoren der Demo «Stopp Kuscheljustiz» auf. Ihre Nähe zu Neonazis war offensichtlich.
Von Kaspar Surber und Bettina Dyttrich
Am Schluss kriegten die Organisatoren der Kundgebung «Stopp Kuscheljustiz» kalte Füsse. Der Verein hatte diesen Samstag zu einer «Volksversammlung» auf den Berner Bundesplatz gerufen, zum «Schutz unserer Kultur, Heimat und Tradition». Kurz vor der Abstimmung über die «Pädophilie-Initiative» wollte man eine «konsequente Umsetzung» von Gefängnisstrafen und Ausschaffungsentscheiden fordern.
Als Organisatoren in Erscheinung traten Dominik Pfister und Benjamin Moser aus dem Thurgau. Die beiden Mittzwanziger – Typ Partyveranstalter – beteuerten, nicht mit Neonazis in Kontakt zu stehen. In einem Interview auf Tele Bärn betonten sie, «rein vom patriotischen Denken her» zu kommen. Zu Beginn dieser Woche distanzierte sich Moser von der Kundgebung aus Angst, an den Pranger gestellt zu werden. Ironie des Schicksals: Einen öffentlichen Pranger für Verdächtige fordert sein Verein. Auch Pfister zeigte Schwäche: «Bi uf de Suechi nachere starche Persönlichkeit wo mit mir zeme de Weg wiiter goht mit de Demo», schrieb er auf Facebook. Am Mittwochnachmittag sagte er die Kundgebung ab.
Rechtsextremes Tummelfeld
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich auf der Facebook-Seite rund 900 Personen angemeldet. Die TeilnehmerInnenliste war ein rechtes Tummelfeld, von SVP-SympathisantInnen bis zu VerschwörungstheoretikerInnen. Entgegen den Beteuerungen der Organisatoren wollten auch zahlreiche Neonazis teilnehmen. So etwa Jonas Schneeberger, der gemeinsam mit Sebastian Nussbaumer an der Gründung der deutschen Neonaziorganisation Weisse Wölfe Terrorcrew beteiligt war und den Schweizer Ableger Legion Werwolf gründete, wie die «SonntagsZeitung» letzten Sommer berichtete. Nussbaumer sitzt in Haft, nachdem er im Zürcher Niederdorf einen Mann niedergeschossen hatte. Gegen das Werwolf-Netzwerk wurde eine europaweite Razzia wegen des Verdachts auf Planung von terroristischen Gewalttaten durchgeführt. Auf der «Kuscheljustiz»-Pinnwand kündigte Schneeberger seine Teilnahme mit Vorfreude an: «Super freue mich schon, ich werde mit Leuten aus Biel und dem Seeland vor Ort sein! Flagge zeigen!» Weitere Werwölfe tummeln sich auf der Facebook-Seite.
Ihre Teilnahme zugesagt hatten auch Dominic Lüthard, Präsident der Neonazipartei PNOS und Sänger der Rechtsrockband Indiziert, sowie Jimmy Dellea, Koordinator des welschen Pendants Parti nationaliste suisse (PNS). Präsidiert wird der PNS von Holocaust-Leugner Philippe Brennenstuhl. Hinzu kamen zahlreiche User mit einschlägigen Namen wie «Schweizer Jugend», «Nationalist Helvetia» oder «Selbst Justiz».
Erfolgreiche Blockade
Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause hatte die Kundgebung letzte Woche bewilligt. Anfang des Jahres hatte er einer am 1. Februar geplanten linken Demonstration gegen die SVP-Initiative die Bewilligung verweigert – unter dem Vorwand, auch der Verein «Stopp Kuscheljustiz» wolle an diesem Tag auf die Strasse. Nauses Begründung stimmte nicht: Die Kundgebung war schon damals auf März geplant.
Im «Bund» erklärte er nun, ihm fehle eine rechtliche Grundlage, um die «Stopp Kuscheljustiz»-Kundgebung zu verbieten. Ausserdem sei «genügend Zeit geblieben, um ein entsprechendes Polizeidispositiv zu planen». Doch nicht alle wollten den rechten Aufmarsch zulassen. Das Antifa-Bündnis «Alle gegen Rechts» rief seit Wochen dazu auf, den Bundesplatz zu blockieren. Nachdem bekannt wurde, dass «Stopp Kuscheljustiz» eine Bewilligung bekommt, versuchten linke Parteien und Gruppen, eine Bewilligung für eine Gegenkundgebung auf dem Waisenhausplatz zu erhalten.
Beim Gesuch für eine Gegendemonstration ging es auch um die grundsätzliche Frage, ob eine Demonstration wegen einer anderen verboten werden kann. «Die Stadtregierung müsste eine Ablehnung sehr gut begründen. Das Bundesgericht hält fest, dass pauschale Sicherheitsbedenken allein nicht genügen, um eine Demo zu verbieten», meinte Mitorganisatorin Catherine Weber.
Bis Redaktionsschluss scheint es, dass in Bern am Samstag offiziell gar keine Kundgebung stattfindet. Der Slogan des Bündnisses «Alle gegen Rechts», das zur Blockade rief, hat fürs Erste seine Wirkung entfaltet: «Bern bleibt nazifrei».