Tages-Anzeiger vom 02.07.2009
Das Zurschaustellen von Nazi-Symbolen will der Bundesrat nicht mehr dulden. Linksextreme Zeichen hingegen bleiben legal.
Erika Burri, Bern
Wer heute mit einer Hakenkreuz-Fahne aufs Rütli marschiert, kommt nicht mit dem Gesetz in Konflikt. Das soll sich nun ändern. Wenn es nach dem Bundesrat geht, werden Personen, die rassistische Symbole öffentlich verwenden oder verbreiten, künftig gebüsst. Eine entsprechende Gesetzesvorlage hat die Landesregierung gestern in die Vernehmlassung geschickt. Bis zu 10 000 Franken Busse droht jenen, die sich nicht ans Gesetz halten. Von dieser Ergänzung der Rassismusstrafnorm verspricht sich der Bundesrat eine präventive Wirkung – und gar eine teilweise Abkehr der Rechtsradikalen von der Szene.
Als rassistisch gelten insbesondere Symbole des Nationalsozialismus: Fahnen mit Hakenkreuz, Abzeichen mit der SS-Doppel-Sigrune, «Heil Hitler!»-Parolen und der Hitlergruss, wenn er öffentlich und in einem rassistischen Kontext benutzt wird. Aber auch Abwandlungen nationalsozialistischer Symbole, die in rechtsextremen Kreisen geläufig sind und als Ersatz verwendet werden, sind in der Vorlage miteingeschlossen. So zum Beispiel der Kühnengruss, bei dem im Gegensatz zum Hitlergruss nicht die ganze Hand, sondern nur Daumen, Zeig- und Mittelfinger gestreckt werden.
Auch das Herstellen von rassistischen Symbolen soll strafbar werden. Nicht gebüsst wird dagegen das Verwenden der Symbole zu schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken.
Der Bundesrat will nicht alle rechtsextremen Zeichen aus der Öffentlichkeit verbannen. Das Tragen von Symbolen, die nur für Gleichgesinnte eine Bedeutung haben, wird weiterhin möglich sein. So dürfen Rechtsextreme wie alle andern auch T-Shirts mit der Aufschrift der Londoner Sportbekleidungs-Marke Lonsdale anziehen. Sie lieben diese Marke, weil der Schriftzug die Zeichenfolge «nsda» enthält, was sie an die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) erinnert. Auch die Zahlenkombinationen «88» («Heil Hitler!», 8 steht für den achten Buchstaben des Alphabets) oder «18» für Adolf Hitler dürfen Rechtsradikale weiterhin verwenden.
Rechtsparteien fordern, dass auch das Zeichen für Anarchie (ein A in einem Kreis) oder Hammer und Sichel (das Symbol des Kommunismus) verboten wird. Beim Bund sieht man dies anders. «Diese Symbole sind zwar klar linksextremen Kreisen zuzuordnen», sagt Bernardo Stadelmann vom Bundesamt für Justiz. Die linksextreme Gesinnung sei aber im Gegensatz zur rechtsextremen nicht rassistisch.
Blocher hat die Vorlage verzögert
Die gestern präsentierte Gesetzesvorlage geht zurück auf eine Motion der nationalrätlichen Rechtskommission aus dem Jahr 2004. Den Stein ins Rollen gebracht hatten medienwirksame Auftritte von Rechtsextremen mit Nazi-Symbolen Ende der Neunzigerjahre. Unter Alt-Bundesrat Christoph Blocher, der sich mehrmals kritisch über das bestehende Antirassismus-Gesetz geäussert hat, verzögerte sich die Ausarbeitung einer konkreten Vorlage. Das Gesetz tritt frühestens 2012 in Kraft.