Gericht Drei Rechtsextreme angeklagt wegen Angriff an der Solätte in Burgdorf
Vor Gericht in Burgdorf standen zur ersten Einvernahme drei mehr oderweniger bekannte Rechtsextreme. Sie hatten an der Solätte im Juni2005 einen Linksaktivisten grundlos angegriffen und verletzt. DerProzess zeigt die Gemütslage in diesem Kleinkrieg.
Beat Waldmeier
Weit rechts am Rand draussen fühlt man sich, wenn nicht imKriegszustand, so doch zumindest im Belagerungszustand. Die Linken sindder Feind, und auf ihrer Seite stehen die bösen Medien, welche ihrerechten Ideen nicht aufnehmen und verbreiten wollen. Dabei ist ihreMission von Stolz, Ehre und Nationalismus doch nichts anderes alsgerecht und Gewalt das letzte Mittel der Verfolgten.
So oder ähnlich kann man die Gemütslage bei den Skinheadszusammenfassen, wie sie sich einmal mehr an der Solätte 2005 inBurgdorf präsentierte. Sie gilt auch für einen weiteren Vorfall imJanuar 2006 am Bahnhof Burgdorf, wo sich morgens um fünf Uhr Linke undRechte ein Scharmützel mit Steinen lieferten und für das einer der dreiSolätte-Angeklagten auch noch geradestehen muss. Sie ist aber ebensoerklärbar für das Verteilen von rechtsextremen CDs in einemJugendtreff in Rothrist, wofür sich L. verantworten muss.
Früherer Pnos-Chef angeklagt
Der Gegner kann und muss überall und immer angegriffen werden,wo es möglich ist. Beispielsweise an jenem frühen Abend an der Solätte,wo sich etwa 15 Skinheads in der Schmiedengasse treffen und Biertrinken – das Schmiermittel für den Kleinkrieg. Als S. mit seinerFreundin vorbeischlendert, wird er provoziert und – als er nichtreagiert – verfolgt und geschlagen. Weil er mit seiner Kleidung aussehewie ein Linksextremer, wie der Angeschuldigte B. erklärt. Und seineFreundin hat den Aufdruck «Kein Mensch ist illegal» auf dem Shirt. Dasgenügt bereits. Der Gipser-Lehrling B. und ein unbekannter Zweiterspielen die Soldaten. L., der damalige Präsident der Partei nationalorientierter Schweizer (Pnos) des Kantons Bern und seit Anfang diesesJahres nicht mehr Mitglied, folgt dem Fussvolk fast wie eine mobileGefechtszentrale.
Der Angegriffene – auch die andere Seite ist nicht schutzlos -wehrt sich mit Pfefferspray und flüchtet dann ins «Aemmi» auf dieTerrasse, wo eine Studentenverbindung den Abend geniesst. Die Verfolgerlassen nicht locker und tauchen ebenfalls dort auf. B. droht S. in derFolge mit einem Betonsockel eines Sonnenschirms. Dieser kommt abernicht zum Einsatz.
Inhalt auf der CD verboten?
So weit ist das Geschehen mehr oder weniger klar belegt, für dasFolgende auf der Terrasse will niemand verantwortlich sein. Tatsacheist aber, dass S. bald einmal beim Arzt zwei Schnittwunden nähen muss,die eine an der Stirn wegen eines fliegenden und die andere an derBrust wegen eines zerschlagenen Glases. Zudem wird er von einemSkinhead mit Füssen getreten, als er am Boden liegt. Hauptverdächtigerfür diese Tat ist B. Den zweiten Beteiligten will niemand kennen, oderkeiner mehr wissen, wers war.
Als Zweiter wird L. angeklagt, weil er auf der Terrasse den alsSchlichter auftretenden SP-Stadtrat als «Saujuden» bezeichnet habensoll. Dies bestreitet aber L. Auch dass die CDs, die er in Rothrist imJugendtreff verteilt hat, rassendiskriminierend sind, stellt er inAbrede. Er verteidigt den auf der CD vorkommenden Rudolf Hess alsFriedensstifter, und die Zahl 88, als Abkürzung für den achtenBuchstaben H, sprich Heil Hitler, habe für ihn keine Bedeutung.
Rechts tritt selbstbewusster auf
Der dritte Angeschuldigte ist R., wie sein Bruder in der rechtenSzene und vor Gerichten wohlbekannt. Ein Punkt ist das Fahren mit einemAuto mit 1,76 Promille Alkohol im Blut, das er zugibt. KeineAnhaltspunkte gibt es laut Gericht für den Vorwurf, er habe denStadtrat auch mit dem oben erwähnten Ausdruck betitelt. Deshalb wirddie Strafverfolgung in diesem Punkt aufgehoben, und R. muss nicht mehran der Hauptverhandlung teilnehmen, die irgendwann vor oder nach denSommerferien stattfindet.
An dieser Hauptverhandlung werden dann Zeugen befragt, dieinsbesondere Licht ins Dunkel bringen sollen, was genau auf derTerrasse geschah. Die Freundin von S. durfte deshalb die Verhandlungennicht verfolgen, sie wird eventuell als Zeugin vorgeladen.
Immerhin in einem Punkt war der gestrige Tag erhellend. AlleAngeklagten bezeichnen sich als «rechtsdenkend», während früher dereine oder andere vor Gericht nichts mehr wissen wollte von seinerGesinnung. Und es zeigt sich, dass selber wegen Raufhandel, Haus- undLandesfriedensbruch vor Gericht gestandene Rechtsextreme weitgeschickter vorgehen. Sie schicken die Jungen an die Front vor, währendsie im Hintergrund, wie in Burgdorf, lenken und denken.