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Beobachter
Schönheit kennt keine Grenzen? Aber sicher doch: Hat eine Miss die falsche
Herkunft, brausen die Lokalpatrioten auf. Text: Balz Ruchti
Helvetische Nationalisten habens schwer. Letzten Herbst wählte die Miss-Schweiz-Jury eine
Schweizerin mit Migrationshintergrund zur Schönsten im Land. Dominic Lüthard von der Partei
national orientierter Schweizer (Pnos) missfiel dies: Toyloy verkörpere «das Geschwür, welches
die freie, unabhängige Eidgenossenschaft am Auffressen ist», schrieb er auf der Pnos-
Weltnetzseite. Weh dir, Helvetia.
Denise Friedrich, Gründungsmitglied des Kampfbundes nationaler Aktivistinnen und einzige
Frau im Pnos-Vorstand, legte nach: «Toyloy ist biologisch gesehen keine Schweizerin.» Lüthard
wurde für seinen Geschwür-Vergleich angezeigt und freigesprochen: Der Richter fand die
Äusserungen geschmacklos, aber nicht strafbar.
Kaum war die Aufregung verebbt, wurde im Mai Michelle Morand zur Miss Zürich gewählt. Die
23-Jährige stammt aber aus Luzern. Eine Nichtzürcherin.
In der Jury, die die Kantonsfremde kürte, sass eine gewisse Whitney Toyloy. Stoff, aus dem
Nationalisten gern Verschwörungstheorien spinnen. Doch die Pnos schwieg – im Gegensatz zur
geschundenen Zürcher Volksseele: «Schade», «seltsam», «unfair» hiessen die harmlosesten
Voten.
Ist diese Miss eingebildet genug?
Morand selbst hält sich für eine legitime Miss Zürich: «Ich habe Zürcher Blut», liess sie sich im
«Blick am Abend» zitieren. «Mein Grossmami war Zürcherin.»
Das ist wichtig, schliesslich ist Blut gemäss Rassenlehre der Träger von Rasseneigenschaften.
Aber reicht ein Viertel Zürcher Blut, um die volkstypischen Charakterzüge hervorzubringen?
Konkret: Ist Morand eingebildet und redselig genug, um Zürich zu repräsentieren? Was, wenn
plötzlich die luzernischen Eigenschaften durchschlagen?
Rückfrage bei den Blut-und-Boden-Spezialisten von der Pnos: Was unterscheidet Zürcher von
Luzerner Blut? «Nichts, Eidgenossinnen sind alle gleich», sagt der Langenthaler
Ortsgruppenführer Lüthard. Dass die übergangenen Zürcherinnen das anders sehen, sei
nachvollziehbar: «Aber Schweizer Frauen sollten zusammenhalten.» Doch die stolzen
Limmatstädterinnen halten nichts von Weichspül-Nationalismus à la Pnos: «Es gäbe genug
schöne Zürcherinnen», quengelte eine in der Zeitung.
Unlängst keimte Hoffnung bei den national orientierten Schweizern: Miss-Schweiz-Kandidatin
Marion Stutz hatte sich ohne Not als «waschechte 1291-Schweizerin» erklärt. Kaum durften die
Rechten eine Schwester in Blut und Geiste unter den Krönchenanwärterinnen wähnen, liess die
Sprecherin der Miss-Schweiz-Organisation diese Träume platzen: «Marion ist Patriotin, aber
nicht ausländerfeindlich.» Sie sei eine weltoffene junge Frau. Wieder nichts für die Pnos.
Eine Frage noch, Herr Lüthard: Wenn kantonale Unterschiede rassisch keine Rolle spielen – auf
welcher Ebene wird Blut denn relevant? «Das ist eine gute Frage.» Ja, nicht wahr?