Blick. Rechte Kreise haben sich auf die «Drag Story Time», eine Lesung von Drag-Queens oder -Kings für Kinder, eingeschossen. Reichsbürger-Kreise haben zu einer «Mahnwache» aufgerufen.
«Bezüglich Gender-Tag hats ja auch geklappt», schreibt ein Nutzer auf Telegram. Rechte haben sich, nachdem der Gender-Tag an einer Schule in Stäfa ZH aus Sicherheitsgründen abgesagt werden musste, auf eine weitere Veranstaltung eingeschossen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Dieses Mal geht es um eine Lesung von Drag-Queens oder -Kings für Kinder in der Pestalozzi-Bibliothek in Zürich-Oerlikon. Sie findet am kommenden Samstag statt.
«Wir lesen, tanzen, singen und verkleiden uns, um spielerisch die Vielfalt in der Gesellschaft feiern zu können.» So beschreibt die Nievergelt-Buchhandlung, die Mitveranstalter des Anlasses ist, die Lesung. Rund 25 dieser Lesungen hat es in der Vergangenheit bereits gegeben. Die meisten seien ausverkauft gewesen, teilt «Drag Story Time»-Organisatorin Brandy Butler gegenüber dem «Tages-Anzeiger» mit. Die Lesungen sollen die Kinder bei ihrer Meinungsbildung unterstützen. Die Buben und Mädchen sollen verschiedene Geschlechteridentitäten und Rollenvorbilder sehen und verstehen.
Nun haben Corona-Skeptiker, Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger offenbar Wind von der Lesung am kommenden Samstag bekommen. Auf Telegram wird in unzähligen Posts zum Widerstand aufgerufen. Und auch SVP-Nationalrat Andreas Glarner (60), der auf Twitter schon lautstarke Kritik am Gender-Tag in Stäfa geäussert hatte, mischt wieder mit. «Die Unterwanderung nimmt ihren Lauf», twitterte er dazu.
Findet die «Drag Story Time» statt?
Der Direktor der Pestalozzi-Bibliothek, Felix Hüppi, soll laut dem Bericht bereits zwei Dutzend Hetz-Mails erhalten haben. In Absprache mit der Stadtpolizei sei das Sicherheitsdispositiv erhöht worden, auch private Securities seien vor Ort, hiess es. «Dass wir bei einer Kinderveranstaltung in der Bibliothek mit physischer Gewalt rechnen müssen, erschreckt mich», so Hüppi.
Ein Urheber des Protests ist offenbar der Reichsbürger-Bewegung zuzuordnen, wie der «Tages-Anzeiger» weiter schreibt. Er soll der deutschen Reichsbürger-Bewegung «Königreich Deutschland» (KRD) sehr zugetan sein. Diese lehnt den deutschen Staat ab. Auf Youtube spricht er von der «Plandemie». Er hält Seminare ab, die sich an Mitglieder der Staatsverweigerer-Szene richten.
Mit Blick auf die «Drag Story Time» fordert er auf Telegram zum Handeln auf. Am Donnerstagabend wollen die Veranstalter darüber beraten, ob sie die Lesung tatsächlich durchführen. «Eine Absage würde ich sehr bedauern», erklärt Felix Hüppi.
Schon im vergangenen Herbst hatte es Ärger gegeben: Damals waren die Neonazis der «Jungen Tat» bei einer «Drag Story Time»-Veranstaltung mit Fackeln und Transparenten aufmarschiert. (nad)