Wasserfallen will früher durchgreifen

BernerZeitung

Wie kann die Polizei präventiv gegen gewaltbereite Demonstranten vorgehen? Wann ist eine Demonstration gewaltbereit? Der städtische Polizeidirektor will diese Fragen juristisch abklären lassen.

Bernhard Ott

Für Andreas Hubacher ist klar: «Die Sprayer am antifaschistischen Abendspaziergang haben weit mehr als die geschätzten 100 000 Franken Schaden verursacht», sagt der Sekretär des Berner Oberstadt-Leists (BOL). Allein das Herrenmodegeschäft PKZ habe einen Schaden von 15 000 bis 20 000 Franken zu beklagen. «Die müssen sogar den Sandstein wegfräsen, um die Schriften zu beseitigen», sagt Hubacher. BOL, Cityverband und Vereinigte Altstadt-Leiste (VAL) legen ihren Mitgliedern nun nahe, massenhaft Strafanzeige gegen unbekannt wegen Sachbeschädigung einzureichen. Der City-Verband hat den Mitgliedern gar vorgedruckte Formulare des Hauseigentümerverbands zur Einreichung von Anzeigen zukommen lassen.

Wie bei Brandbekämpfung

«Ich begrüsse die Anzeigen», sagt Polizeidirektor Kurt Wasserfallen. Auch die in einem Brief an den Gemeinderat erhobene Forderung der Leiste, unbewilligte Demonstrationen künftig «im Ansatz» zu unterbinden, stösst beim Polizeidirektor auf Zustimmung. «Ich bin für präventive Eingriffe», sagt Kurt Wasserfallen. Ob und wie der vorbeugende Polizeieingriff in eine Demonstration möglich ist, will der Polizeidirektor nun durch einen verwaltungsexternen Juristen abklären lassen. «Ich werde in den nächsten Tagen einen Experten mit einem Gutachten beauftragen», sagt Kurt Wasserfallen. Für ihn als Nichtjuristen gebe es «schon gewisse Kriterien», nach denen die Polizei eingreifen könnte, verrät Wasserfallen: «Wenn Demoteilnehmer mit Helmen oder Spraydosen anrücken, so lässt dies auf Gewaltbereitschaft schliessen.» Dabei verhalte es sich ähnlich wie bei der Brandbekämpfung: «Wer eine Ausbreitung verhindern will, muss früh eingreifen», sagt der Direktor für Öffentliche Sicherheit.

Zahnloses Demoreglement

Wasserfallen begründet seine Initiative mit der «Aushebelung» des Reglementes für Kundgebungen auf öffentlichem Grund (KgR) durch die Justiz. Vor drei Jahren hatte das Polizeiinspektorat SP-Präsidentin Christiane Brunner mit einer Busse von 300 Franken belegt, weil sie an einer unbewilligten Demonstration gegen die Ablehnung der Mutterschaftsinitiative teilgenommen hatte. Grund: Bei der Manifestation, die mehr als 24 Stunden nach der Abstimmung erfolgt ist, habe es sich nicht um eine bewilligungsfreie Spontandemo gemäss KgR gehandelt. Brunner erhob Einsprache gegen das Urteil, worauf sie der Richter im Herbst 2000 vom Vorwurf der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration frei- gesprochen hat. Das Gericht «verurteilte» statt Brunner das Demoreglement der Stadt Bern und bezeichnete es als eine «Ansammlung von Strafnormen ohne Tatbestände». Wasserfallen liess diese Schlappe nicht auf sich sitzen und kündigte damals an, dass er das Demoreglement «neu schreiben» lassen will.Gemäss Presseberichten will der Polizeidirektor diesen Mai eine Revision des Demoreglementes in den Gemeinderat bringen: Sie sieht unter anderem die Streichung der bewilligungsfreien Spontandemo und Strafen für die Teilnahme an unbewilligten Demos vor. «Das Demonstrationsrecht», so Wasserfallen, «hört bei drohenden Ausschreitungen auf.»