Tages-Anzeiger
Bezirksgericht Bülach Ein Sicherheitsmann wird vom Vorwurf der häuslichen Gewalt freigesprochen.
Corsin Zander
Letztlich reichen dem Bülacher Bezirksrichter die Beweise nicht aus. Sie, 1,69 Meter gross, 56 Kilogramm schwer, sagt: «Er hat mich an beiden Armen gepackt und zu Boden geschleudert.» Er, 1,89 Meter gross, 100 Kilogramm schwer, sagt: «Ich habe sie an den Schultern angefasst, um sie zu beruhigen. Als sie sich von mir wegdrehte, stolperte sie über einen Spielklotz und fiel hin.»
Sicher ist nur, dass die Frau sich am 3. Januar 2017 kurz vor Mitternacht nach einem Streit mit ihrem von ihr getrennten Ehemann das Handgelenk gebrochen hat. Als sie schon im Spital lag, schrieb er ihr, «das Ganze» tue ihm leid. Die restliche Whatsapp-Unterhaltung ist recht freundlich. Das ist der erste Grund, warum der Bezirksrichter an der Schuld des Mannes zweifelte.
Der zweite ist der Zeitpunkt, zu dem die Frau Anzeige bei der Polizei erstattet hat: zweieinhalb Jahre nach dem Vorfall, als die Scheidung schon längst vollzogen war. Sie habe lange keine Anzeige erstattet, weil sie vor dem Mann Angst gehabt habe, sagte die Frau gestern bei der Verhandlung in Bülach unter Tränen. Er habe gedroht, ihr alles wegzunehmen: ihre Hunde, die beiden Kinder – alles, was ihr lieb sei. Und ihm könne nichts passieren, weil er bei der Kantonspolizei Zürich arbeite.
Der Bezirksrichter glaubt dem Mann, der alles abstreitet, und sagt zur Version der Frau, sie sei «nicht völlig unglaubhaft». Das reiche für eine Verurteilung aber nicht aus. Er spricht den Mann in dubio pro reo vom Vorwurf der Nötigung und der einfachen Körperverletzung frei. Einen vollumfänglichen Freispruch gibt es auch in einem Nebenpunkt des Verfahrens: Besitz von Videos von harter Pornografie und Gewaltdarstellungen.
Unappetitliche Chatgruppe
Bemerkenswert ist vor allem, woher der Mann diese Videos hatte und wo sie gefunden wurden: auf dem Diensthandy der Kantonspolizei Zürich. Der 40-Jährige ist als ziviler Angestellter in leitender Funktion bei der Flughafenpolizei. Das Smartphone nutzt er auch privat. So ist er etwa Mitglied einer Chatgruppe von Grenadieren und Aufklärern aus dem Militär. Der Mann absolvierte die Rekrutenschule in Isone als Grenadier und arbeitete später als Unteroffizier in der Grenadierschule, bevor er bei mehreren privaten Sicherheitsdiensten angestellt war.
Noch immer pflegt er Kontakt zu Grenadieren und Aufklärern aus dieser Zeit. Was in der Chatgruppe rumgeschickt wird, ist ziemlich unappetitlich: ein Video eines Suizids, verbotene Pornografie oder Bilder mit rechtsextremem Inhalt. Was im Verfahren am Bezirksgericht nur in Nebensätzen erwähnt wird, wirft ein schlechtes Licht auf Personen, die laut Aussage des Beschuldigten «in guten Positionen in der Wirtschaft arbeiten». Es sind Grenadiere, bei denen «Vorbildlichkeit» oder «Respekt gegenüber anderen» zu den sogenannten sieben Grundregeln gehören.
Gerne hätte man mehr erfahren über diese Chatgruppe und deren Inhalt. Zur Sprache kamen vor Gericht nur drei Videos: zwei mit harter Pornografie, die der Beschuldigte noch nie gesehen haben will, und eines, in dem einem Mann mit einer Pistole in den Kopf geschossen wird. Er habe nicht gewusst, dass dieses Video rechtlich problematisch sei, sagt der Beschuldigte. Das Gericht glaubt ihm.
Gerne hätte man auch erfahren, was die Kantonspolizei dazu sagt, dass solche Videos auf Handys ihrer Angestellten landen – mindestens ein weiteres Mitglied der Chatgruppe ist ebenfalls Polizist. Doch auf Anfrage sagt die Kantonspolizei bloss: «Wie üblich geben wir zu laufenden Verfahren keine Auskunft.»
Vor Gericht kamen nur drei Videos zur Sprache: Zwei mit Pornografie, eines mit brutaler Gewalt.