Solothurner Zeitung.
Gerade in Zeiten von Corona machen Verschwörungstheorien die Runde. Bis in den Kanton Solothurn schafft es offenbar eine Bewegung, für welche die Schweiz nur eine Firma ist. Eine Firma, die gestürzt werden soll.
Lommiswil – ein idyllisches Dorf am Jurasüdfuss, rund 1600 Einwohnerinnen und Einwohner. Genau dorthin wurde vergangenes Wochenende eingeladen. Zu einem Vortrag. Die Themen? «Mensch und Person»; der Vatikan; die Banken. Begriffe, die schnell zur Reichsbürger-Bewegung führen. Zu Überzeugungen, wonach die Schweiz nur eine Firma sei, Menschen, die hier wohnen, nur Personal, Kapital des Landes. Und zur Idee, dass dieses falsche System nur durch eines geheilt werden könne: Umsturz. Durch eigene Gerichte etwa – weil diejenigen des Staates laut Anhängern der Bewegung nicht legitimiert sind dazu, über Bürgerinnen und Bürger zu richten.
Anfang Jahr fand ein Vortrag, zu genau diesen Themen, auch in Zürich statt. Im Keller des Restaurant Tibits ging’s etwa darum, dass nur «Personen» Steuern und Bussen zahlen – «Menschen» aber nicht. Mitgehört hat auch der Journalist Raimond Lüppken, der sich seit Jahren mit der Szene befasst. Am Vortrag, so Lüppken weiter, sei es dann darum gegangen, eine Erklärung zu unterschreiben, mit der man sich bereit erklärte, fortan als «Mensch» zu leben, keine Steuern mehr zu bezahlen.
Und beispielsweise gegen jede Busse Einsprache zu erheben – immer und immer wieder. Um so den Staat lahmzulegen. Strippenzieher des Systems sind laut den Anhängern der Bewegung der Vatikan, Freimaurer, jüdische Priesterschaften. Lüppken erklärt das so: «Es wird zwar nie direkt gesagt, dass man antisemitisch ist – genau darauf kommt die Bewegung aber immer wieder zurück.»
Bewegung erhält Aufschwung durch Corona
Um eine solche «Lebenderklärung» ging es auch am Vortrag in Lommiswil. Chatprotokolle von «Telegram» im Vorfeld des Anlasses zeichnen ein ganz passendes Bild: Wahlen in der Schweiz seien «fake», es brauche ein «Erwachen», Corona sei nur eine Lüge. Zudem heisst es auf der Webseite der «freiheitlichen Bewegung Schweiz», zu der der Name einer Organisatorin ebenfalls führt:
«Das wir dem Bundesrat, der Politik mit Ihren Taskforces und Experten nicht trauen können, zeigen die aktuellen Entwicklungen. Dadurch wird eine Volksinitiative wohl der einzige Weg sein, die Diktatur über unsere Art zu leben zu stoppen.»
Das heisst es bezüglich der lancierten Initiative gegen eine «Impfpflicht».
Jetzt, in Zeiten von Corona, so vermutet Lüppken, erhalten Staatsverweigerer neuen Aufschwung. «Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Pandemie das, was alle Menschen auf der Welt betrifft – da spriessen natürlich Verschwörungstheorien.»
Polizeikontrolle – keine Verstösse festgestellt
Im Vorfeld wurde von den Mitverantwortlichen darauf hingewiesen, den Vortrag nicht an die grosse Glocke zu hängen – weil man die Polizei nicht auf sich aufmerksam machen wolle. Der Vortrag selbst fand dann am Samstagnachmittag statt, auch aus Zürich kamen Interessierte. Die Kantonspolizei hatte laut Mediensprecher Bruno Gribi Kenntnis davon, es gab offenbar auch eine Kontrolle vor Ort, bei welcher aber keine Verstösse festgestellt worden seien.
Teil zwei des Vortrags ist nächstes Wochenende geplant. Bis Redaktionsschluss blieben Anfragen dieser Zeitung bei den Organisatoren unbeantwortet.