NZZ Online: In der Gemeinde Unterwasser, im St. Galler Toggenburg, haben am Samstag Neonazis ein Rockkonzert abgehalten. Nun herrscht Uneinigkeit darüber, wie solche Anlässe in Zukunft zu verhindern sind.
Auf Schlagzeilen dieser Art war das Ostschweizer Tourismusdorf Unterwasser bestimmt nicht aus: Die Nachricht vom rechtsextremen Grossaufmarsch zu einem Konzert mit einschlägigen Rockbands hat sich international verbreitet. Dabei stellt sich die Frage, wie die Behörden von einer Veranstaltung hatten überrascht werden können, an der rund 5000 Besucher teilnahmen.
Der Nachrichtendienst des Bundes habe im Vorfeld Kenntnis von einer geplanten Veranstaltung rechtsextremer Kreise erhalten, sagt Mediensprecherin Isabelle Graber. Die Information sei an verschiedene Kantone weitergeleitet worden, auch an den Kanton St. Gallen. Wo die Veranstaltung effektiv stattfand, erfuhr der Nachrichtendienst – wie die Besucher – aber erst relativ kurz vor der Durchführung am Samstag.
Die St. Galler Kantonspolizei sei vor rund zwei Wochen informiert worden, dass im süddeutschen Raum eine Neonazi-Veranstaltung stattfinden werde, sagt ihr Sprecher Gian Andrea Rezzoli. Aus Erfahrung wisse man, dass die Veranstalter zuweilen über die Landesgrenze auswichen. Für die Kantonspolizei sei es trotz Vorwarnung unmöglich, einen Bereitschaftsdienst aufzubieten für den Fall, dass es St. Gallen treffe. Solche Veranstaltungen könnten nur im Vorfeld gestoppt werden. «Wir werden die Gemeinden sensibilisieren und ihnen anbieten, bei ähnlichen Anfragen die nötigen Abklärungen für sie zu treffen», sagt Rezzoli. In Unterwasser hatte der Veranstalter ein Konzert mit Schweizer Nachwuchsbands angekündigt.
Ist es aber mit Sensibilisierung getan? Obwohl die Öffentlichkeit das Ereignis einigermassen perplex und verständnislos aufgenommen hat, sind konkrete politische Forderungen weitgehend ausgeblieben. Auch Martine Brunschwig Graf, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, sagt auf Anfrage, die geltende Rassismusstrafnorm genüge. Wer von einem konkreten Verstoss wisse, könne diesen anzeigen. Es solle aber keine Vorzensur geben. Im Kanton St. Gallen verlangt die Fraktion von SP und Grünen allerdings Massnahmen, damit solche Neonazi-Konzerte in Zukunft verhindert werden können. Sie kritisiert zudem, dass die Polizei den Anlass als privat taxiert und entsprechend zurückhaltend behandelt habe.
Die Veranstaltung war laut Szenekennern die grösste ihrer Art in den letzten Jahren in Zentraleuropa. Samuel Althof von der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention zeigt sich trotzdem nicht überrascht. Solche Konzerte gebe es international immer wieder. Dass es diesmal die Schweiz traf, schreibt er nicht einem liberalen rechtlichen Rahmen zu, sondern dem Zufall und dem «Standortvorteil» des Toggenburgs am Dreiländereck.