Werdenberger & Obertoggenburger: Von den 778 Kandidaten für den St. Galler Kantonsrat leben einige gar nicht im Kanton. Andere treten nicht in ihrem eigenen Wahlkreis an. Sie müssen ihre Wählerinnen und Wähler davon überzeugen, dass sie sie trotzdem gut vertreten.
OSTSCHWEIZ/REGION. Im Herbst gewann die Zürcherin Magdalena Martullo-Blocher einen Bündner Nationalratssitz. Sie will auch weiterhin in Feldmeilen im Kanton Zürich wohnen. Als Nationalrätin kann sie das auch. Sie vertritt das Schweizer Volk und nicht einen bestimmten Kanton. Anders ist es bei Ständeräten, die zwingend im Kanton leben müssen, in dem sie gewählt wurden. Bei den St. Galler Kantonsratswahlen gilt: Wer kandidiert, darf zwar während des Wahlkampfes ausserhalb des Kantons wohnen. Gewählte Kandidatinnen und Kandidaten müssen aber «spätestens zum Amtsantritt umziehen», erklärt Stephan Ziegler, Projektleiter Wahlen und Abstimmungen beim Kanton St. Gallen. In Ausnahmefällen sei eine Verlängerung dieser Frist möglich.
Sennwalderin kandidiert in Wil
Auch mehrere Vertreter der Direktdemokratischen Partei Schweiz (DPS) treten ausserhalb ihres Wahlkreises an. Präsident der Kleinpartei ist der Uzwiler Ignaz Bearth, ein ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Pnos. Bekannt wurde er vor einem Jahr, als er einen Schweizer Ableger der Pegida-Bewegung lancieren wollte. Die DPS hat nur eine Liste für den Kantonsrat zusammengestellt, im Wahlkreis Wil. Neben Bearth leben alle anderen Kandidierenden dieser Liste ausserhalb des Wahlkreises. Es handelt sich dabei um Bearths Mutter Erika aus Sennwald und um zwei 21jährige Toggenburger, Martin Bernet aus Dietfurt und Andreas Hauri aus Krummenau.
«Wahl wäre überraschend»
Auf den eingereichten Wahllisten für den 28. Februar stehen vier Kandidierende, die ihren Wohnsitz in einem anderen Kanton haben. Beispielsweise der Jungfreisinnige (JFSG) Johannes Wagner, der im Toggenburg gewählt werden will, aber in Appenzell lebt. «Ich bin erst vor eineinhalb Jahren in die Nähe meines Arbeitsplatzes gezogen», sagt der 26jährige Betreibungsbeamte. Schaffe er den Sprung in den Kantonsrat, werde er wieder nach Wattwil zügeln, wo er aufgewachsen ist. Seine Wahl wäre allerdings eine Riesenüberraschung, gibt er selbst zu – obwohl er auf dem ersten Listenplatz stehe. Die Jungpartei wolle mit ihrer eigenen Liste vor allem Stimmen für die Mutterpartei holen.
«Erfahrungen sammeln»
Ebenfalls für die Jungfreisinnigen kandidiert die Thurgauerin Sina Rüdisüli aus Sirnach. Die 20jährige Studentin kämpft um Stimmen im Wahlkreis Wil. «Ich schätze meine Wahlchancen als gering ein. Mit meiner ersten Kandidatur möchte ich Erfahrungen sammeln», sagt die Generalsekretärin der Jungfreisinnigen St. Gallen. Sie sei der Partei in Wil beigetreten, weil sie unmittelbar an der Kantonsgrenze lebe: «Der Grossteil der Hinterthurgauer Bevölkerung orientiert sich ohnehin nach Wil.» Ein drittes Parteimitglied der JFSG lebt in Zürich: Marc Spiess will im Wahlkreis See-Gaster gewählt werden.
Von Basel zurück nach St. Gallen
Flavio Noto will für die Grünliberalen in den St. Galler Kantonsrat. Er wohnt in Zürich und arbeitet als Staatsanwalt in Basel. Ist auch er ein Listenfüller? «Ja, das bin ich. Ich habe mir den letzten Listenplatz gewünscht, mache aber aktiv im Wahlkampf mit», sagt der 33jährige Jurist. Im sehr unwahrscheinlichen Fall einer Wahl würde er diese aber annehmen und wieder in seinen Heimatkanton ziehen.
Innerhalb des Kantons dürfen sich die Kandidatinnen und Kandidaten in jedem Wahlkreis aufstellen lassen, unabhängig von ihrem Wohnort. Dabei ist der schwierigste Schritt wohl die Nominierung. Die Kandidaten müssen ihre Lokalparteien davon überzeugen, dass sie die Anliegen der Region vertreten werden. Das ist Fabienne Bünzli gelungen. Die 25jährige Projektleiterin in einer Kommunikations- und Wirtschaftsberatung lebt berufsbedingt in der Stadt St. Gallen. «Ich kandidiere im Toggenburg, weil dort meine Wurzeln, meine Freunde und meine Familie sind», sagt sie. Die Vizepräsidentin der JFSG Kanton St. Gallen hat die Toggenburger Sektion der Partei mitgegründet. Sie kandidiert aber auf der Hauptliste der FDP Neckertal, bei der sie ebenfalls Vorstandsmitglied ist.
Ein weiterer Jungfreisinniger, der seine Wähler nicht im eigenen Wahlkreis sucht, ist Thomas Anderegg. Er lebt in St. Gallen, will im Kantonsrat aber Wil vertreten. Auch die BDP im Wahlkreis St. Gallen hat einen auswärtigen Kandidaten: Maurus Stucki aus Steinach. In Kürze werde er aber umziehen, deswegen habe er sich auch für die St. Galler Liste entschieden, sagt er.