Vom Neonazi zum Vorbild?

BernerZeitung

In Langenthal sorgt das Bild eines 21-Jährigen für Gesprächsstoff. An der Rütlifeier 2005 pöbelte er gegen Bundesrat Samuel Schmid, heute ist er Peacemaker auf dem Wuhrplatz. Und bereut seine Vergangenheit.

Stramm steht er auf der Rütliwiese, streckt die Faust in die Höhe und brüllt rechtsextreme Parolen in Richtung Rednerpult ? und damit gegen Bundesrat Samuel Schmid. Rolf W.* gehörte zu jenem Pöbel, der die Nationalfeier am 1.August 2005 empfindlich störte.

Wochenlang wurde damals über den skandalösen Aufmarsch diskutiert und geschrieben. Immer wieder erschien seither das Bild mit dem heute 21-jährigen Oberaargauer in den Zeitungen. Letztmals vor einer Woche, als der «Blick» über die Bemühungen von Bundesrat Schmid berichtete, auch in diesem Jahr eine Bundesfeier auf dem Rütli stattfinden zu lassen.

Extremer als Vorbild?

Die neuste Publikation ist für Rolf W. besonders ärgerlich. Seit dem 4.Mai 2007 amtet er nämlich als so genannter «Peacemaker» auf dem Langenthaler Wuhrplatz. Gemeinsam mit zehn anderen Männern und einer Frau soll er eine Vorbildfunktion übernehmen und bei Streitigkeiten schlichtend eingreifen. Wer das Bild vom Rütli gesehen hat, fragt sich aber: Darf das ein Rechtsextremer, der auf diese Weise von sich reden gemacht hat? Würde man auf dessen Mithilfe nicht besser verzichten?

Für diese Zeitung war der umstrittene Peacemaker gestern nicht erreichbar. Red? und Antwort gestanden hat hingegen Thomas Bertschinger, Stellenleiter der öffentlichen Kinder- und Jugendarbeit Oberaargau (Tokjo). Er hat das Peacemaker-Projekt lanciert und Rolf W. in diesem Zusammenhang vor zwei Monaten kennen gelernt.

«Ein ganz Normaler»

Mit einer Gruppe von jungen Leuten sei er damals vorbeigekommen und habe sich freiwillig zur Verfügung gestellt. «Ich habe ihn als ganz normalen jungen Mann kennen gelernt, der sehr interessiert ist und bestimmt nicht mehr der rechten Szene angehört», sagt Bertschinger. Gemeinsam hätten sie auch über das Foto vom Rütli gesprochen. «Er weiss, dass er eine Dummheit gemacht hat. Heute bereut er diesen Auftritt.»

Kein Rassismus geduldet

Seit dem Start des Peacemaker-Projekts am 4.Mai stand Rolf W. zweimal auf dem Wuhrplatz im Einsatz ? einmal zusammen mit einem Ausländer. Beide Einsätze seien problemlos abgelaufen, rassistische Übergriffe habe es keine gegeben, betont Bertschinger. «Das würde ich auch nicht tolerieren. Als Peacemaker muss man auf jede Gruppe ohne Vorurteile eingehen können», stellt er klar

Pause als Peacemaker

Trotzdem wird Rolf W. bis auf weiteres nicht mehr als Peacemaker auf dem Wuhrplatz eingesetzt. Bis sich der Wirbel ums Rütli-Bild gelegt hat, will Thomas Bertschinger seinem jungen Mitarbeiter andere Aufgaben geben.

Ihn ganz von der Liste zu streichen, kommt hingegen nicht in Frage. «Die Jugendarbeit», begründet Bertschinger, «richtet sich an alle jungen Leute. Auch an solche, die irgendwann einmal negativ aufgefallen sind ? und unabhängig von deren Haltung und Meinung.»