Verwischung ist allein fatal genug

BaslerZeitung

Martin Schmid

Der Soziologe vom Basler «Büro ecce ? gemeinschaft für sozialforschung» legt dar, warum er Rechtsextremismus in der Schweiz nicht für ein Randphänomen hält.

Der kürzlich erschienene Bericht zur inneren Sicherheit der Schweiz dokumentiert unter allen nur denkbaren kriminellen Handlungen auch den Bereich rechtsextremer Vorkommnisse. Aus wissenschaftlicher Sicht fallen dabei zwei Dinge besonders auf. Unexakte Analyse. Der Bericht erwähnt nicht einmal ansatzweise, nach welchen Kriterien rechtsextreme Vorfälle definiert und wie diese erfasst werden. Trotzdem versteigt er sich darauf, die genaue Anzahl der Ereignisse inklusive den Veränderungen zum Vorjahr auszuweisen. Solch unexakte Analysen verdecken die Vielschichtigkeit des Problems und zementieren die Vorstellung, dass es sich bei Rechtsextremismus um ein Randphänomen handelt. Tatsächlich ist das Ausmass rechtsextremer Gewalt einiges grösser, und es ist sicher nicht falsch zu behaupten, dass die Schweiz ein Problem mit Rechtsextremismus hat. Dies belegen zahlreiche Forschungsprojekte, die im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes «Rechtsextremismus ? Ursachen und Gegenmassnahmen» erstellt wurden. Für die Opfer beschämend. Der Bericht geht davon aus, dass der weitaus grösste Teil aller Vorfälle keine politischen Hintergründe hat. Dabei handle es sich um Auseinandersetzungen mit Ausländern und Linksextremen. Wiederum ist zu fragen, nach welchen Kriterien die Verantwortlichen des Berichtes Rechtsextremismus definieren, richtet sich diese Form der Gewalt doch stets gegen Andersdenkende und Minderheiten. Insofern ist es unerklärlich, weshalb diese Vorfälle denn an dieser Stelle ausgewiesen werden. Diese Verwischung allein ist schon fatal genug und muss zwangsläufig zu Irritationen führen. Hinzu kommt aber noch, dass Aussagen in dieser Art das Problem verharmlosen, indem rechtsextreme Gewalt mit «gewöhnlicher» Gewalt ersetzt und die dahintersteckende Ideologie ausgeblendet wird. Dies widerspricht nicht nur den Tatsachen, sondern ist auch für die betroffenen Opfer beschämend. Ihre Viktimisierung wird von den Bundesbehörden offensichtlich nicht ernst genommen. Noch ein weiter Weg. Was die Schweiz braucht, sind nicht irgendwelche schöngeredeten Zahlen, sondern das Eingeständnis, dass Rechtsextremismus auch in unserem Land existiert und durch die zunehmende Polarisierung in Politik und Gesellschaft noch weiter geschürt wird. Erst wenn sich diese Einsicht durchgesetzt hat, wird es möglich sein, dieses Phänomen gezielt anzugehen. Wie der Bericht zur inneren Sicherheit allerdings veranschaulicht, ist es dahin noch ein weiter Weg.