Verbot von Nazi-Symbolen: Bund sieht keine Notwendigkeit – jüdischer Verband protestiert

ch media. Das Bundesamt für Justiz ist skeptisch gegenüber einem möglichen Verbot von NS-Symbolen und anderen gewaltverherrlichenden und rassendiskriminierenden Symbolen. Es lasse sich nur schwer umsetzen. Den Dachverbänden der jüdischen Gemeinden ist das zu wenig. Sie sehen dringenden Handlungsbedarf.

Der Bund steht einem möglichen Verbot von nationalsozialistischen Symbolen wie dem Hakenkreuz und anderen rassendiskriminierenden, gewaltverherrlichenden und extremistischen Symbolen skeptisch gegenüber. Das geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht des Bundesamts für Justiz hervor.

Den Auftrag dazu erteilte Justizministerin Karin Keller-Sutter im Februar als Reaktion auf mehrere parlamentarische Vorstösse zum Thema. So hatte Mitte-Nationalrätin Marianne Binder (AG) in einer Motion vom November 2021 vom Bundesrat gefordert, die öffentliche Zurschaustellung von «bekannten Kennzeichen des Nationalsozialismus» unter Strafe zu stellen. Der Bundesrat lehnte das Anliegen im Februar ab, unter anderem mit Verweis auf die Meinungsäusserungsfreiheit.

Auch die beiden SP-Vertreter Angelo Barrile (ZH) und Gabriela Suter (AG) verlangten in Vorstössen ein Verwendungsverbot von gewaltverherrlichenden, rassistischen, extremistischen und rassendiskriminierenden Symbolen in der Öffentlichkeit.

In seinem Bericht hat Bundesamt für Justiz eine rechtliche Analyse der Vor- und Nachteile verschiedener Verbotsnormen unternommen. Es kommt zum Schluss, dass es grundsätzlich möglich wäre, die Verwendung solcher Symbolen auf Bundesebene und in den kantonalen Gesetzen zu verbieten.

Geltendes Recht bietet schon Möglichkeiten

Doch würde die konkrete Ausgestaltung eines Verbots «eine grosse Herausforderung darstellen». Zum einen müsste die Norm ausreichend offen formuliert sein, damit die Gerichte den spezifischen Kontext eines Falls berücksichtigen können. Zum anderen müsste die Formulierung genügend klar sein, damit für die Bevölkerung klar ist, was erlaubt und was verboten ist. Zudem bräuchte es Ausnahmeregelungen für die Verwendung der Symbole zu wissenschaftlichen, schulischen, künstlerischen oder journalistischen Zwecken.

Ausserdem biete bereits das geltende Recht eine Handhabe gegen «diskriminierende, rassistische, gewaltverherrlichende, extremistische und nationalsozialistische Symbole». Werbe jemand damit öffentlich für eine entsprechende Ideologie, so kann die Person gemäss der Rassismusstrafnorm bestraft werden. Die Ordnungskräfte hätten durch die kantonalen Polizeigesetze «taugliche Interventionsinstrumente» zur Hand, um etwa auf Demonstration einzuschreiten, wenn die Symbole auftauchen. Insgesamt seien die Hürden für eine Strafbarkeit «unter Umständen schon heute relativ tief». Auch drei für den Bericht befragte Praktiker aus Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sehen keine Notwendigkeit einer Neuregelung.

Kein Graubereich für NS-Symbole

Anders sehen dies die beiden jüdischen Dachverbände, der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS), laut einer Medienmitteilung vom Donnerstag. Gemeinsam mit weiten gesellschaftspolitischen Kreisen sehen sie «einen dringenden Handlungsbedarf». Die Lücken im bestehenden Recht würden gezielt ausgenutzt. So würden nationalsozialistische Symbole für eine «Akzentuierung und Skandalisierung politischer Botschaften» missbraucht. Dies sei mit dem Hitlergruss oder abgewandelten Judensternen am Rande von Coronademonstrationen zu beobachten gewesen.

Weil breiter gefasste Verbote schwierig sind, wollen SIG und PLJS auf ein Verbot nationalsozialistischer Symbole fokussieren. Sie fordern Parlament und Bundesrat auf, rasch ein solches umzusetzen. Einen Graubereich bei der Verwendung nationalsozialistischer Symbole dürfe es in der Schweiz nicht mehr geben.

Zunächst liegt der Ball bei der Rechtskommission des Nationalrats. Diese hatte die Beratungen der parlamentarischen Initiativen zum Thema im August 2022 sistiert, um die Erkenntnisse des Berichts aus dem Bundesamt für Justiz abzuwarten. (bzbasel.ch)