St. Galler Tagblatt. Der St.Galler Justiz- und Polizeidirektor Fredy Fässler betont aufgrund des verhinderten Rechtsextrementreffens in Kaltbrunn die Bemühungen des Kantons St.Gallen nach dem Fall Unterwasser. Nebst dem gesetzlichen Verbot hilft auch die Information von Lokalvermietern und Gemeinden.
Interview mit Regierungspräsident Fredy Fässler (SP), Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements St. Gallen.
Die St.Galler Polizei hat am Samstag ein internationales Treffen von Rechtsextremen in Kaltbrunn verhindert. Ein Erfolg, der dem neuen Verbot im Polizeigesetz zuzuschreiben ist?
Fredy Fässler: Ja, wir sind froh um das Verbot und vor allem, dass die Bestimmung im Polizeigesetz erstmals gewirkt hat. Und gewiss hat die Sensibilisierungskampagne nach dem Fall Unterwasser geholfen: Wir ersuchten in der Folge alle Vermieter von Eventhallen und Veranstaltungslokalen, Veranstalter zu überprüfen. Ebenso sollten die Gemeinden bei Bewilligungen nachfragen. In Unterwasser wurde der Anlass als «Rockkonzert von regionalen Nachwuchsbands» oder ähnlich angekündigt.
Wer gab denn den entscheidenden Hinweis zum Treffen in Kaltbrunn?
Die Kantonspolizei kommuniziert dies aus polizeitaktischen Gründen nicht. Und ich weiss nicht, ob unsere Polizei darüber hinaus Hinweise auf ausserkantonale Bewegungen hatte.
Nun ist der St.Galler Erfolg zwiespältig, wenn die Rechtsextremen einfach wenige Kilometer entfernt im Nachbarkanton feiern. Müsste Zürich das Verbot nicht übernehmen?
Wir können den Kantonen keine Vorgaben machen, aber ich schliesse nicht aus, dass einige das Verbot ebenfalls einführen. Wir erliessen unsere Bestimmung ja auch erst als «gebrannte Kinder»: Wir mussten uns nach der Grossveranstaltung in Unterwasser überlegen, was wir dagegen tun können.
Kaltbrunn erscheint nicht zum ersten Mal als Veranstaltungsort von Rechtsextremen: Im Herbst 2016 führte die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) dort ein Parteitreffen durch. Also kein Zufall?
Ich glaube auch nicht an einen Zufall. Aber es muss auch nicht heissen, dass es in Kaltbrunn und Umgebung ein Nest von Rechtsextremen gibt. Eine Person genügt, um eine solche Veranstaltung zu organisieren.
Die Pnos wurde unlängst aufgelöst, doch warnen Szenebeobachter vor neuen Gruppen wie der auch im Kanton St.Gallen tätigen Kameradschaft Heimattreu. Welche Organisationen sind der St.Galler Polizei bekannt und wie stark sind sie?
Meines Wissens gibt es im Kanton St.Gallen nicht wahnsinnig viele Rechtsextreme. Ob es aktive Gruppierungen gibt und wen man auf dem Radar hat, müsste die Polizei sagen – wenn sie das will. Am Samstag handelte es sich um die in Deutschland verbotene internationale Organisation Blood & Honour.
Rechtsextreme tummelten sich immer wieder auch an Demos von Coronamassnahmengegnern – auch im Kanton St.Gallen?
Der Begriff «rechtsextrem» ist nicht trennscharf, aber wir stellen tatsächlich eine zunehmende Radikalisierung fest. Die Corona-Verschwörungstheoretiker mutieren nun zu Putin-Verstehern. Der Tonfall in seltsamen Mailzuschriften an uns bleibt ähnlich. Und immer mehr Leute scheinen Richtung Reichsbürger abzudriften, die den Staat als Unternehmen anschauen und deshalb ablehnen. Dabei sprechen sie unseren Polizei- und Justizbehörden jegliche Legitimation ab und ignorieren Vorladungen.
Zurück zum Fall Kaltbrunn respektive Rüti ZH: Als oberster Polizeidirektor könnten Sie ein interkantonales Veranstaltungsverbot empfehlen.
Wie gesagt, ist das Sache jedes einzelnen Kantons. Aber ich werde an der nächsten Vorstandssitzung mit den Polizeidirektionen im Juni sicher über den Fall orientieren und dabei auch unsere Bestimmung im Polizeigesetz in Erinnerung rufen.