St. Galler Tagblatt vom 12.09.2011
Die «Europäische Aktion» um Holocaust-Leugner Bernhard Schaub hat sich am Samstag in Diepoldsau getroffen. Demonstranten aus der linken Szene wollten das Treffen verhindern. Die Polizei verhinderte einen Zusammenstoss.
«Ist etwas passiert?», fragt eine ältere Frau einen Polizisten kurz vor Mittag am Bahnhof Heerbrugg. Acht uniformierte Kollegen hat er dabei. Gleich soll der Regio-Express von St. Gallen ankommen. Laut einer linken Internetplattform müssten mehrere linke Demonstranten aussteigen. Angesagt ist eine Demonstration gegen Rechtsextreme: «Zur Verhinderung des Europafests»; einem Treffen der «Europäischen Aktion» (EA), einer rechtsextremen Organisation unter der Fuchtel des bekannten Schweizer Holocaust-Leugners Bernhard Schaub.
Weisses Hemd, schwarze Hose
Der Zug ist da, es steigen zwei Punks aus. Der Rest der linken Demonstranten hat sich wohl in Diepoldsau versteckt, nahe dem Treffpunkt der Rechtsextremen, einem Parkplatz neben der Autobahn. Von dort aus würden die Mitstreiter der EA an den definitiven Austragungsort des Treffens gelotst. Nahe dem Verkehrskreisel vor dem Parkplatz herrscht Stau. Ein gut frisierter Mann in weissem Hemd und schwarzer Hose steht am Strassenrand. Am Ende der Autobahnausfahrt stehen weitere. Der gleiche Dresscode – er entpuppt sich als Uniform.
Durchfahrt im Minutentakt
Ein silberner Renault mit Bündner Kennzeichen hält an, der Fahrer kurbelt die Scheibe runter. Ein kurzer, diskreter Austausch findet statt, ein Lächeln, ein Nicken. Dann die Weiterfahrt in Richtung Hohenems. Dieses Spiel wiederholt sich minütlich. Nicht selten sitzen in den Autos gleich ganze Familien, immer in Hemden, die hinter der Windschutzscheibe weiss hervorstrahlen.
Beobachtet wird das Ganze von Grünen aus dem Rheintal und aus Vorarlberg: Sie haben zur friedlichen Mahnwache rund 30 Leute mobilisiert. Aus dem Nichts tauchen plötzlich vermummte Demonstranten auf. Formiert in einem Block, eingepackt in Transparente, überqueren sie den Kreisel und gehen über die Rheinbrücke, gefolgt von mehreren Polizei-Kastenwagen. Vor einer Tankstelle stoppt der Zug. Ihm gegenüber: Sechs kahlgeschorene Männer in EA-Uniform, an einem Stehtischchen am Kaffee trinken. Lederhandschuhe hängen aus den hinteren Hosentaschen heraus. Eine unheimliche Szenerie. Diese Naziskins werden innerhalb der Szene «Ordner» genannt – sie achten auf die Sicherheit ihrer Leute und gelten als gewaltbereit.
80 Beamte in Vollmontur
Aus einem Vorgarten eines Einfamilienhauses ruft ein Mann: «Linkes Pack, verreist, wir sind ein friedliches Dorf!» Andere Passanten stänkern, so etwa eine Vorarlbergerin: «Elende Baggage!» Mittlerweile hat die Polizei, etwa 80 Beamte in Vollmontur, eine Kette gebildet, welche die Strasse zurück zur Rheinbrücke sperren soll. Zu Tätlichkeiten kommt es an diesem Ort aber nicht: Die Naziskins verschwinden, und die rund 40 vermummten Demonstranten werden von der Polizei auf das Rheinvorland getrieben, wo sie schliesslich eingekesselt, kontrolliert und für einige Zeit festgehalten werden. Die Strassen sind wieder freigegeben, der Spuk scheint vorbei.
Grüner Politiker attackiert
Bis auf der Rheinbrücke Harald Walser kreidebleich erscheint. Der Grüne Abgeordnete aus Vorarlberg berichtet, er sei auf dem Rückweg mit seinen Parteifreunden von mehreren Naziskins angegriffen worden: «Mit drei Meter langen Holzlatten haben sie auf uns eingedroschen, wir konnten zum Glück fliehen.» Zwei seiner Kollegen seien leicht verletzt worden, man hätte Anzeige erstattet.
Nach dem Abzug der Polizei wird gemunkelt, die Europäische Aktion sei unterdessen in Einsiedeln eingetroffen. Gestern Mittag meldete die Schwyzer Polizei tatsächlich ein Treffen von teilweise aggressiven Rechtsextremen, welches aber unterbunden wurde.
«Wir waren in Einsiedeln»
Die Kapo Schwyz wollte nicht sagen, welcher Gruppe die Rechtsextremen angehörten. EA-Infochef Pierre Schlenk sagt dagegen: «Doch, wir waren in Einsiedeln.» Von einer «Unterbindung des Treffens», sowie «Tätlichkeiten gegen Polizisten», wie die Kapo Schwyz in der Medienmitteilung berichtete, wisse seine Organisation nichts: «Wir genossen die Vorträge und fuhren dann zum Denkmal zum Morgarten in Oberägeri, Zug. Es war sehr schön.» Marco Kamber