Schweizer Rechtsextreme nutzen das Internet für ihre Zwecke
Auch die rund 1000 Schweizer Rechtsextremisten haben ihren Platz im Netz gefunden. Unter den wachsamen Augen einer neuen Internet-Polizei mobilisieren sie auf ihren Seiten zu Konzerten und Demonstrationen.
Daniel Graf
Vor «kriegsgeilen Juden» und einer «Invasion der fremden Ratten» warnte bis Anfang Juli eine Internetseite, deren Betreiber offensichtlich aus dem Kanton Schwyz stammten. Die Gruppe «Schwarze SS Schweiz» verherrlichte darauf den Nationalsozialismus und dessen Rassentheorien. Erst nachdem die Regionalzeitung «Der Bote der Urschweiz» den rassistischen Inhalt öffentlich gemacht hatte, verschwand die Seite innerhalb weniger Tage vom Netz.
Die Kurzlebigkeit von rechtsextremistischen Internetauftritten ist kein Einzelfall. Im Gegensatz zur Mitte der 90er-Jahre, als das Internet noch eine weitgehend rechtsfreie Spielwiese für rechtsradikale Skinheads, Holocaust-Leugner und neonazistische Organisationen war, wird heute die rechtsextreme Szene in der Schweiz auch im virtuellen Raum stärker überwacht.
Surfende Polizisten
«Die verstärkte Kontrolle ist ein Grund dafür, weshalb die Zahl der rechtsextremistischen Internetseiten in den letzten Jahren stark abgenommen hat», meint Jürg Bühler, stellvertretender Chef beim Dienst für Analyse und Prävention (DAP) im Bundesamt für Polizei.
Seit Januar dieses Jahres hat das DAP seine Recherchen über strafbare Handlungen im Internet verstärkt. Mit dem so genannten Internet-Monitoring übernimmt es einen wichtigen Pfeiler der neuen nationalen Koordinationsstelle Internet-Kriminalität (Kobik), die als gemeinsames Projekt gegen «Cybercrime» von Bund und Kantonen eingerichtet wurde.
Verschlossene Türen
Der präventiven Ermittlungsarbeit auf dem Netz sind jedoch enge rechtliche Grenzen gesetzt: «Wir sind keine Hacker, sondern dürfen nur jene legalen Mittel anwenden, die auch jedem privaten Internet-Benützer offen stehen», betont Philip Kronig, Koordinator bei der Kobik. Er fügt an: «Verdeckte Ermittlungen unter falscher Identität und gegen den Willen der Betreiber liegen für uns nicht drin.»
Mittlerweile sind aber fast alle rechtsextremistischen Seiten klar in einen öffentlichen und einen privaten Bereich abgetrennt, wobei Letzterer nur mit einem entsprechenden Passwort zugänglich ist. Damit sind Ermittler ohne ein richterliches Mandat aus Diskussionsforen ausgeschlossen, die für die Vernetzung der rechtsextremen Szene besonders wichtig sind.
Vor dieser virtuellen Tür bleibt die Organisation «Aktion Kinder des Holocaust» (AKdH) nicht stehen. Seit Jahren durchforsten Mitglieder dieser Organisation das Internet nach rassistischen und antisemitischen Inhalten und operieren dafür auch in Passwort-geschützten Bereichen. «Wir wissen, was in diesen Foren gesprochen wird, und stellen diese Informationen auch dem Bundesamt für Polizei zur Verfügung», sagt Samuel Althof vom AKdH. Seine Organisation setzt jedoch nicht nur auf die Wirkung der Repression, sondern versucht auch im direkten persönlichen Gespräch Leute zum Ausstieg aus der Szene zu bewegen.
Trotz der verstärkten Wachsamkeit haben bestimmte Gruppierungen ihren Internetauftritt ausgebaut. Der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Hans Stutz stellt fest, dass gewisse Seiten vermehrt professionell bewirtschaftet und regelmässiger aktualisiert werden. Zu diesen Seiten zählt Stutz diejenige der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) und der Berner Skinhead-Gruppe «Nationale Offensive» sowie das im Mai 2003 aufgeschaltete Diskussionsforum «Avantgarde Suisse».
Abgeschottete Netze
Seit kurzer Zeit setzen die rechtsextremen Kreise auf neue Internet-Technologien, die auf so genannten «Peer-to-Peer-Netzwerken» basieren. Vergleichbar mit der Tauschbörse Napster, erlauben sie den Benutzern, ein eigenes Netzwerk einzurichten und miteinander direkt Daten auszutauschen. Nach Althof gibt es in diesen abgeschotteten Netzen auch einige Schweizer, die nationalsozialistische Propaganda-Filme und -Literatur sowie rechtsextreme Musik und Spiele wie «KZ-Manager» austauschen.
Am 1. August trafen sie sich in der realen Welt auf dem Rütli.Keystone
Internetpolizei surft im WEB
Am 1. Januar 2003 hat die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität (Kobik) beim Bundesamt für Polizei ihre Arbeit aufgenommen. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf 1,3 Millionen Franken und werden zu zwei Dritteln von den 25 beteiligten Kantonen übernommen. In den ersten drei Monaten gingen bei der Kobik 1200 Meldungen ein; 15 Fälle wurden an die kantonalen Gerichte verwiesen. Bekannt wurde die Stelle vor allem wegen der «Operation Genesis», die sich gegen Kinderpornografie richtete.