St. Galler Tagblatt: Gegen die Veranstalter und Bands des Neonazi-Konzerts in Unterwasser ist Strafanzeige eingereicht worden. Derweil ist für Samstag bereits das nächste Rechtsrock-Konzert in der Ostschweiz angekündigt. Stattfinden soll es im Raum Rapperswil.
Nach dem aus Sicht der Veranstalter erfolgreichen Rechtsrock-Konzert in Unterwasser vom vergangenen Samstag wittert die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) Morgenluft. Sie lädt am Samstag zur Gründungsfeier von fünf Ostschweizer Pnos-Sektionen. Angekündigt sind Reden von Pnos-Präsident Dominic Lüthard sowie den Vorsitzenden der Kantonalsektionen, willkommen sind gemäss einem Facebook-Post «alle nationalgesinnten Menschen, welche sich gegen die heimatfeindliche und dekadente Politik unserer Systemparteien stellen». Und weiter: «Altersunterschiede, ein unterschiedlicher Kleidungsstil oder verschiedene Musikgeschmäcker spielen überhaupt keine Rolle, denn uns alle eint die Sorge ums Vaterland.»
Der Anlass soll in der Umgebung von Rapperswil stattfinden («Eidgenosse, wir sehen uns in der Region Rapperswil»), wo genau, ist nicht bekannt. Die Pnos geht dabei nach dem gleichen Muster vor wie die Organisatoren des «Rocktoberfestes» in Unterwasser: Angegeben ist einzig eine Handynummer, über die am Samstagmorgen der Veranstaltungsort mitgeteilt wird.
Sänger wollte Neonazi-Staat errichten
Angekündigt sind nicht nur Referate, sondern auch «Unterhaltung»: Gemäss Einladung wird die deutsche Band Flak (Flugabwehrkanone) auftreten. Die Musiker aus dem Rheinland stammen klar aus dem rechten Spektrum. Sie preisen sich als «moderne, nationale Band», was sich in Textzeilen wie diesen niederschlägt: «Das Moral-Monopol im Ego-Staat liegt bei der roten Pöbel-Saat, die jede Tradition negieren, doch zu <Heidi> masturbieren.» Der Sänger soll einer der Köpfe hinter dem «Aktionsbüro Mittelrhein» gewesen sein, das laut der Anklage gewaltsam einen Neonazi-Staat errichten wollte. Gegen ihn und andere Mitglieder läuft seit vier Jahren ein Mammutprozess in Koblenz, der Flak-Musiker sass deshalb längere Zeit in Untersuchungshaft. Die St. Galler Kantonspolizei weiss vom Anlass der Pnos, will sich laut ihrem Sprecher Gian Andrea Rezzoli derzeit aber nicht näher dazu äussern. «Wir sind noch am Abklären», heisst es seitens der Behörden.
Nicht nur die Polizei hat ein wachsames Auge auf die rechte Szene geworfen. Auch die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) will das Thema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Sie hat gestern bei der St. Galler Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm eingereicht. Die Anzeige richtet sich einerseits gegen die Veranstalter des «Rocktober» in Unterwasser, andererseits gegen die Bands Amok, Stahlgewitter, Confident of Victory, Exzess und Frontalkraft, die in der Tennis- und Eventhalle aufgetreten sind. Roman Dobler, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bestätigt den Eingang der Anzeige. Diese werde nun intern an die zuständige Stelle weitergeleitet und geprüft. «Wenn wir zum Schluss kommen, dass ein hinreichender Verdacht besteht, werden wir eine Untersuchung eröffnen.»
Ronnie Bernheim, Präsident der GRA, erwartet, dass mit der Anzeige «die Bevölkerung in die Debatte involviert und Licht ins Dunkel dieses Grossanlasses und der behördlichen Aufgabenerfüllung» gebracht wird. «Uns interessiert, ob es mittels Gerichtsverfahren Beweise für einen Gesetzesverstoss gibt. Und wenn nicht, weshalb. Zudem stellt sich für uns im Falle einer Verurteilung die Frage, ob der Staat die nötigen Instrumente hätte, um ungesetzliche Anlässe künftig zu verhindern.» Bernheim will die Strafanzeige auch als Botschaft an die Rechtsextremen verstanden wissen, welche die Schweiz als Neonazi-Paradies sehen: «Hier ist nicht alles möglich.» Für den GRA-Präsidenten ist klar, dass der Anlass in Unterwasser ein grosser Erfolg für die Szene gewesen sein muss – befeuert durch die Rechtsrutsch-Tendenzen in ganz Europa. Rechtliche Schritte hat auch die Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann eingeleitet. «Wir ziehen das durch, egal, mit welchem Resultat», sagt Gemeindepräsident Rolf Züllig.
Ticketeinnahmen in Höhe
von 150 000 Euro
Derweil werden zum Fall Unterwasser immer mehr Details bekannt. Mittlerweile ist klar, wer bei der Gemeinde um das nötige Gastwirtschaftspatent ersucht hatte: Es handelt sich laut Medienberichten um Matthias «Matze» Melchner, einen im zürcherischen Rüti wohnhaften Deutschen. Melchner soll Mitinhaber des einschlägig bekannten Tattoo-Studios Barbarossa in Rapperswil-Jona sein. Ein Blick auf die Webseite des Studios bestätigt: Hier werden nicht nur Anker und Rosen gestochen, sondern gerne auch mal Nazi-Motive. Und den Kunden wünscht man zu Silvester «Spreng heil».
Den Betreibern des Tattoo-Studios werden enge Verbindungen zur Thüringer Rechtsextremen-Szene nachgesagt, deren Mitglieder zahlreich nach Unterwasser gepilgert sein sollen. Wie der Blog «Thüringenrechtsaussen» berichtet, war der Konzertabend nicht zuletzt dank Hunderter angereister Deutscher ein lukratives Geschäft: Bei einem Ticketpreis von 30 Euro seien mindestens 150 000 Euro eingenommen worden – Verwendungszweck unbekannt.