Unbewilligte Demonstration am Vorabend des Schüssel-Besuchs

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Bern (AP) Ohne grössere Zwischenfälle ist eine unbewilligte Demonstrationgegen den Besuch des österreichischen BundeskanzlersWolfgang Schüssel am Donnerstagabend in der Berner Innenstadt zu Endegegangen. Rund 250 Personen vorwiegend aus derautonomen Szene waren einem Aufruf des Bündnisses «Alle gegen Rechts»gefolgt, um am Vorabend des Besuchs für ein sozialesund solidarisches Europa zu demonstrieren. Von einem starkenPolizeiaufgebot begleitet, zogen sie vom Bahnhof statdabwärts. «Faschistenin die Pfannehauen – hier und überall», forderten die Demonstranten. Auf Transparentenhiess es: «Blocher hier Haider dort – alle müssen fort» oder: «Neue Kleidersindnur geborgt von Haider». Nach Auskunft eines Polizeisprechers wurde derDemonstrationszug von der Polizei daran gehindert, in die Nähe desBundeshauseszu marschieren. Später hätten Aktivisten Eier und einzelne Flaschen gegendie Polizei geworfen. Verletzt wurde niemand. Die Polizei hielt sich zurückreagierte nicht auf die Provokationen. Gegen 20.30 Uhr löste sich dieKundgebung bei der Reithalle auf. Meldungen über Sachbeschädigungen lagenPolizei vorerst nicht vor. Für den (morgigen) Freitag ist eine bewilligteKundgebung gegen Schüssel auf dem Bundesplatz geplant.


Proteste gegen Schüssel-Besuch in der Schweiz

Felber kritisiert Österreich-Politik des Bundesrats – 200 Menschendemonstrierten in Bern

Bern (AP) Am Vorabend des Besuchs des österreichischen BundeskanzlersWolfgang Schüssel in der Schweiz haben sich dieProteste dagegen verstärkt. Der frühere Außenminister Rene Felberkritisierte die Haltung der Schweizer Bundesregierung. Der European JewishCongress(EJC) solidarisierte sich mit den Gegnern des Besuchs. Am Abend wurde inBern demonstriert.

Felber sagte der Lausanner Tageszeitung «Le Matin», ihn störe, dass sichder Bundesrat nicht von der österreichischen Regierung distanziere. DieseRegierung stütze sich auf eine Partei, deren Chef die Tendenz der Nazisoder Neonazis vertrete. Die Haltung: «Wir waren immer Freunde. Kommt zuuns!»störe ihn, sagte der sozialdemokratische Politiker und bemängelte die«relative Schwäche», die sich hinter der Schweizer Neutralität verberge.Felber griffden ÖVP-Politiker Schüssel an, den er während der EWR-Verhandlungen inBrüssel kennen gelernt habe: Schüssel sei ein äußerst scharfer und harterUnterhändler gewesen, der für die Schweiz und ihre Positionen nichtbesonders angenehm gewesen sei. «Das ist ein Mann, der die Macht besitzenwill»,sagte er

Der EJC solidarisierte sich mit antirassistischen Organisationen, die gegenden Schüssel-Besuch in Bern demonstrieren wollen. Er gab gleichzeitigbekannt,dass er zusammen mit fünf Organisationen gegen Rassismus und Antisemitismusin der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) gegen den Besuch protestierenwollte. Die NZZ-Chefredaktion wies das Inserat aber zurück, weil es lautdem stellvertretenden NZZ-Chefredakteur Hansrudolf Kamer unter anderemtatsachenwidrige Behauptungen enthalte und für Schüssel beleidigend sei.

Gleichentags wurde auch bekannt, dass Michael Kohn, Präsident des Komiteesfür Menschenwürde, sowie Sigi Feigel, Ehrenpräsident der IsraelitischenCultusgemeinde Zürich, eine Einladung zu einem Treffen mit Schüssel imZürcher Hotel Dolder ausgeschlagen haben. Er sehe keine Veranlassung, sichRegierungsvertretern Österreichs zu treffen, sagte Feigel zu einem Berichtder NZZ. Die Neue Europäische Bewegung Schweiz ist laut eigenen Angaben mitder Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament einig, dass dieSituation in Österreich genau beobachtet werden müsse. Doch seienAusgrenzung und Gesprächsverweigerung zwischen Mitgliedstaaten nichtoptimale Methoden zur Lösung des Problems.

Rund 200 Menschen demonstrierten am Donnerstagabend in Bern gegen denBesuch Schüssels und für ein soziales und solidarisches Europa. Die nichtgenehmigte Kundgebung, organisiert vom Bündnis «Alle gegen Rechts», verlieffriedlich.

Schüssel selbst hob in einem Interview von Radio DRS hervor, dass dieSchweiz für Österreich ein besonders wichtiger Nachbar und «echter Freundseitvielen Jahren und Jahrzehnten» sei. Er finde es sehr gut, dass dieTradition auch in unruhigen Zeiten weiter geführt werde, gegenseitig dieersten offiziellenBesuche jeweils im andern Land zu machen.