20 Minuten.
Es kommt in der Schweiz immer häufiger vor, zeigt sich aber auch in anderen Ländern: Neonazis und rechtsextreme Gruppierungen marschieren zuvorderst an Corona-Demos mit.
Darum gehts
- Die Neonazi-Gruppierung Junge Tat war Urheber der Aktion letzten Samstag an der Corona-Demo in Bern.
- Gemäss dem Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause ist diese Entwicklung «völlig neu».
- Nachrichtendienste diverser Länder melden immer häufiger rechtsextreme Gruppierungen an Massnahmen-Demos.
Am Samstag vor einer Woche fand in Bern eine Corona-Kundgebung mit rund 2000 Personen statt. An die Spitze des Umzugs setzte sich eine Gruppe von Rechtsradikalen – die Massnahmengegner und -gegnerinnen bekamen davon anscheinend nichts mit. Demnach war die Neonazigruppe Junge Tat Urheber der Aktion. Unterstützt wurden sie von Mitgliedern der Hammerskins, der Blood & Honour sowie der Nationalen Aktionsfront.
Obwohl die Jugendgruppe Mass-Voll den Demonstrationszug direkt zum Bundesplatz zu lenken versuchte, folgte der grösste Teil der Demonstranten und Demonstrantinnen den Neonazis – anscheinend nichtsahnend. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause sagte nach der Demo, dass diese Entwicklung «völlig neu» sei und ihm Sorge bereite.
Doch wer sind die Rädelsführer und -führerinnen dieser rechten Gruppierungen? Die Koordination übernommen habe letzte Woche an der Demo eine junge, schnell wachsende Gruppe junger Rechtsradikaler, wie Recherchen des «SonntagsBlick» zeigen. Ihr Anführer ist ein 21-jähriger Judenhasser und wegen Rassismus verurteilter Waffennarr. Während der Demo gab es einen Livestream. «Wir sind die Junge Tat, die junge patriotische Gruppierung, die gegen Impfzwang und die ungerechtfertigten Massnahmen einsteht und heute an der Demo eine Spitze bildet», so der 21-jährige Anführer.
Neonazis nutzen Desorganisation aus
Seit dem Ja zum Covid-Gesetz haben sich einige Massnahmenkritikerinnen und -kritiker aus der Szene zurückgezogen. Auch der unbewilligte Aufmarsch vom letzten Samstag war eher unorganisiert. Die rechten Gruppierungen nutzten dies aus und setzten sich an die Spitze des Marsches. Dieses Phänomen ist bekannt – nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland und Österreich.
Jüngst meldete sich der österreichische Inlandsgeheimdienst und warnte vor einer Radikalisierung und Internationalisierung der Proteste gegen die Corona-Massnahmen. Diese Entwicklung sei «sehr, sehr beängstigend», sagte der Chef der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, der Nachrichtenagentur AFP.
Rechte Szene ist international vernetzt
Zahlreiche ausländische Demonstranten und Demonstrantinnen, vor allem aus Deutschland und der Schweiz, hätten sich den Protesten angeschlossen, sagte Haijawi-Pirchner. Viele der Aktivisten und Aktivistinnen stammen demnach aus der rechten Szene und sind «sehr stark radikalisiert». Sie nutzten die Demonstrationen, um ihre antisemitische Ideologie zu verbreiten, sich mit anderen Rechtsextremisten und -extremistinnen zu treffen und Netzwerke aufzubauen, sagte der DSN-Chef.
Auch bei der Demo in Bern waren ausländische Neonazis dabei. So etwa ein Demonstrant aus Dortmund. Für ein Foto auf Instagram posierte er vor dem Bundeshaus. Er erhielt zahlreiche Likes, darunter auch ein Like von Martin Sellner, seines Zeichens Chef der rechten Identitären Bewegung. Aber nicht nur der österreichische Inlandsgeheimdienst hat ein Auge auf die Demonstrierenden geworfen. Auch der Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat die Gruppierungen auf dem Schirm. Gegenüber dem «SonntagsBlick» sagt Sprecherin Lea Rappo: «Der NDB stellt derzeit fest, dass ein Teil der Gegner von Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Gewalttaten befürwortet, fördert oder ausübt.»
Massnahmengegner nannte Demo «Schande von Bern»
Doch nicht alle Massnahmengegnerinnen und -gegner begrüssen die Vermischung der beiden Lagern der Corona-Kritiker und -Kritikerinnen und der rechtsextremen Gruppierungen. Joyce Küng, Massnahmengegnerin und Autorin bei der «Weltwoche», verurteilte die Vorkommnisse von Bern. «Das hat mich erschüttert und von uns haben viele wirklich Mühe damit gehabt», so Küng auf Twitter.
Massnahmengegner Robin Spiri bezeichnete die Demo sogar als «Schande von Bern.» Er verurteilte das Geschehene aufs Schärfste. Mittlerweile hat er auf Facebook ein Statement dazu abgegeben. Er schreibt: «Dass eine Neonaziszene zentrale Strukturen der Bürgerrechtsbewegung unterwandert hat, sehe ich derzeit nicht und ist auch nicht erkennbar. Jedoch gelang es ihnen wie am Samstag vor einer Woche durch Aktionen und Beteiligungen den Demozug zu kapern und sich vermummt mit Plakaten an die Spitze zu setzen und damit die entsprechenden Aussenbilder zu erzeugen.» Dies sei geschehen, weil die Demo keinen Organisator oder Organisatorin gehabt habe, sodass niemand rechtzeitig hätte einschreiten können, so Spiri in seinem Facebook-Post weiter.