Todesdrohungen von Neonazis

SonntagsZeitung

Kritiker von Rechtsextremen klagen wegen Telefon- und Videoterror

Catherine Boss

ZüRICH · Rechtsextreme terrorisieren ihre Gegner. Sie bedrohen einen ihrer Kritiker, den Aargauer Heinz Kaiser, am Telefon direkt mit dem Tod. Die Polizei nimmt den Neonazi-Terror ernst. Kaiser steht seit einer Woche unter Personenschutz. «Wir haben die Patrouillen verstärkt», sagt Rudolf Woodtli, Sprecher der Kantonspolizei Aargau. Auch der Grenzschutz kontrolliert nachts Kaisers Wohnquartier. «Ich werde dauernd telefonisch belästigt. Am Donnerstag schreckte ich um Mitternacht aus dem Schlaf. Eine männliche Stimme sagte mir am Telefon: Jetzt wird das Video umgesetzt», erzählt Kaiser.

Im Videoclip, den die Rechtsextremen Mitte Januar ins Internet gestellt hatten, werden Kaiser und drei weitere bekannte Neonazi-Gegner virtuell hingerichtet.

Seit diesem Hassvideo hat Kaiser Angst um seine Familie. «Ich bin speziell im Fadenkreuz dieser Leute, weil ich in den letzten Monaten Rechtsextreme angezeigt habe», sagt er. Das Bezirksamt Aarau hat vier Vorstandsmitglieder der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) wegen Rassendiskriminierung zu Bussen verurteilt.

Heinz Kaiser hat die Polizei auch wegen des Hassvideos eingeschaltet: «Ich habe gegen die Person, die mutmasslich dieses Video produziert hat, und gegen den Internetdomain-Inhaber bei der Aargauer Kantonspolizei Anzeige erstattet.» Ihm sind Hinweise zugespielt worden, dass ein 35-jähriger Mann aus dem Rheintal das Video produziert habe. «Die Ermittlungen sind im Gang, wir gehen jeder Spur nach», sagt Bernhard Graser von der Aargauer Kantonspolizei.

Strafanzeige wegen einer virtuellen Hinrichtung läuft

Auch der Luzerner Journalist und langjährige Beobachter der Rechtsextremisten-Szene Hans Stutz wehrt sich gegen die virtuelle Darstellung seiner Erschiessung. Er hat die Strafanzeige am Samstag an den Luzerner Amtsstatthalter abgeschickt.

Der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel A. Niggli hat den Fall geprüft und kommt zum Schluss: «Eine Strafanzeige ist möglich. Der ?Brutaloartikel? des Strafgesetzbuches verbietet die eindringliche Darstellung von Gewalt, die Menschen und Tiere erniedrigt.» Darauf steht eine Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren oder eine Busse bis zu 40 000 Franken.

Im Videoclip zeigen die Rechtsextremen historische Hinrichtungsszenen, Leichenberge im Konzentrationslager und anschliessend die Erschiessung der vier Gegner. Die Hingerichteten werden als «linke Loser» (linke Verlierer) verspottet.

«Einer Klage gegen die Hersteller dieses Hassvideos schliesse ich mich an», sagt auf Anfrage gestern der grüne Berner Stadtrat und Rechtsanwalt Daniele Jenni – auch ihm wurde im Video der Kopf weggeschossen. Jenni hat am 1. August eine Kundgebung gegen den Faschismus in Luzern mitorganisiert. Der vierte «Hingerichtete» will sich zur Sache nicht äussern und keine Schritte unternehmen.

Beim Inlandnachrichtendienst, Dienst für Analyse und Prävention (DAP), ist das Video bekannt: «Wir haben uns die Hinrichtungsszenen angeschaut», sagt Jürg Bühler vom DAP. «Das Strafverfahren läuft bereits, somit müssen wir die Behandlung des Falls den Justizbehörden überlassen.»