Tages-Anzeiger vom 08.12.2011
Der Mörder von Marcel von Allmen wehrte sich gegen die Weitergabe von Therapieberichten. Erfolglos.
Von Thomas Hasler
Es war eine extrem grausame Tat, ausgeführt nach dem Vorbild des Martin-Scorsese-Films «Casino». Am 27. Januar 2001 hatte der Chef des geheimen, rechtsextremen «Ordens der arischen Ritter» seinen 19-Jährigen Ordensbruder und Schulkollegen Marcel von Allmen auf der Ruine Weissenau in Unterseen BE mit einem langen Chromstahlrohr bestialisch ermordet. Zusammen mit Mittätern versenkte er die Leiche anschliessend bei den Beatushöhlen im Thunersee.
Hintergrund der laut Gericht minutiös geplanten Exekution: Der 19-Jährige hatte das Schweigegebot gebrochen. Niemand sollte wissen, dass sich auf dem Bödeli, dem Gebiet zwischen Unterseen und Interlaken, eine Gruppe Jugendlicher zusammengefunden hatte, um das Bödeli von Ausländern, insbesondere vom Balkan, zu befreien.
Therapeutische Eskapaden
Der Haupttäter wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Eine Therapie wurde nicht angeordnet. Es sei nun an ihm, sagte der Gerichtsvorsitzende, im Strafvollzug dafür zu sorgen, dass es am Ende des Tunnels Licht gebe. Tatsächlich begann der inzwischen 27-jährige Haupttäter im Sommer 2006 freiwillig mit einer störungs- und deliktspezifischen Therapie.
Später wurde er in die Zürcher Strafanstalt Pöschwies versetzt, wo er im Mai 2009 einen sogenannten Behandlungsvertrag unterschrieb. Doch schon sieben Monate später «kündigte» er den Vertrag. Das Vertrauensverhältnis sei «durch diverse therapeutische Eskapaden zerstört worden».
Um welche Eskapaden es sich handelt, ist nicht bekannt. Aber schon mit dem Psychiater, der für den Prozess das Gutachten über ihn erstellte, war es zu «unüberwindbaren Problemen» gekommen. Grund dafür waren die «unterschiedliche Gesinnung und diametral anderer politischer Hintergrund»: Der Täter, dem Nazi-Gedankengut verhaftet, unterstellte dem Experten, einem deutschen Staatsbürger, sein Gutachten weise «politisch gefärbte Schlussfolgerung» auf.
Veto gegen Einsichtnahme
Als die zuständigen Berner Justizbehörden von den Zürcher Kollegen nach dem Therapieabbruch einen Bericht verlangten, legte der Mann sein Veto ein. Dafür gebe es keine genügende gesetzliche Grundlage. Weil er die Therapie freiwillig gemacht habe, könne er den «Behandlungsauftrag» auch jederzeit kündigen.
Seine Beschwerde hat nun das Bundesgericht abgewiesen. Therapieberichte seien eine wesentliche Entscheidgrundlage für den weiteren Vollzug und die Beurteilung von Gefährlichkeit und Rückfallgefahr. Das Urteil enthält den bemerkenswerten Satz: «Therapiearbeit im Strafvollzug ist keine Privatangelegenheit, sondern eine Pflicht des Gefangenen der Allgemeinheit gegenüber.» Urteil 6B_4/2011