20 Minuten. Hilfsorganisationen würden teilweise mit rassistischen und vereinfachenden Bildern werben, sagt Expertin Kristina Lanz. Sie erklärt, worauf man beim Spenden achten muss.
Darum gehts
- Spendenorganisationen würden teilweise mit vereinfachenden und rassistischen Stereotypen arbeiten, sagt Kristina Lanz von Alliance Sud.
- Wer sinnvoll spenden wolle, müsse genau hinsehen und sich erkundigen.
- Organisationen mit simplen Botschaften wie «Deine Spende hilft genau diesem Kind, in die Schule zu gehen» sollte man beim Spenden meiden, sagt sie.
Weihnachten ist Hochkonjunktur für Hilfsorganisationen. Zu keiner Jahreszeit ist die Spendenbereitschaft grösser. Doch während die Spenderinnen und Spender überzeugt sind, in jedem Fall Gutes zu tun, gibt es auch kritische Stimmen: Machtungleichheit in der Entwicklungszusammenarbeit sei immer noch ein grosses Problem, heisst es in einem Beitrag von Alliance Sud.
Auch die Soziologin Anja Glover kritisiert das Narrativ des weissen Retters, das durch das Spenden gefördert werde. «White Saviorism» heisse das Phänomen, wonach Menschen glaubten, ihre Erziehung, Herkunft und Bildung verleihe ihnen das Recht, andere zu retten oder aufzuklären. Diese «anmassende Überschätzung der eigenen Rolle» beschreibt sie in einem Meinungsbeitrag auf Annabelle.ch.
Kristina Lanz, Fachverantwortliche Entwicklungspolitik bei Alliance Sud, sagt, worauf man beim Spenden achten soll. Und sie erläutert diese Erklärungen anhand von Beispielen (siehe auch Bildstrecke).
Frau Lanz – wer spendet, tut nicht unbedingt Gutes?
Spenden können vieles bewirken. Man sollte die Organisationen aber sehr bewusst wählen. Labels wie Zewo können eine Hilfestellung bieten. Doch es lohnt sich auch, zu schauen, welches Bild die Organisationen von ihrer Arbeit vermitteln. Simple Narrative à la «Deine Spende hilft genau diesem Kind, in die Schule zu gehen» sollten vermieden werden.Â
Wieso?
Weil die Probleme der Personen im globalen Süden komplex sind und Lösungsansätze lokal entwickelt werden müssen. Deshalb arbeiten viele Schweizer Organisationen heute sehr eng mit lokalen Organisationen zusammen. Sie kennen die Verhältnisse und wissen, was nötig ist.Â
Viele Leute werden jetzt denken: Nicht mal mehr spenden kann man, ohne kritisiert zu werden.
Das hoffe ich nicht. Bewusstes Spenden kann viel bewirken. Doch es ist wichtig, dass wir uns der eigenen rassistischen Bilder und Denkmuster bewusst werden. Sie durchdringen die meisten Gesellschaftsbereiche, und auch die Entwicklungszusammenarbeit hat diese Bilder und Denkmuster leider immer wieder gefördert, indem sie People of Color als hilfsbedürftige Opfer dargestellt und weisse Menschen als Retterinnen und Retter inszeniert hat.
Worauf muss ich achten, wenn ich spenden will?
Zuerst einmal muss man sich bewusst sein, dass Spenden allein keine Lösung für die Probleme dieser Welt darstellt. Unsere Wirtschaftspolitik und unser Konsumverhalten tragen massiv zur globalen Ungleichheit, zu Ausbeutung und Umweltzerstörung bei. Es braucht also neben Spenden unbedingt auch eine Verhaltensänderung sowie Änderungen in der Politik.Â
Kann Spenden kontraproduktiv sein?
Es gibt einzelne Organisationen, die Teil des Problems sind. Aber im Grossen und Ganzen hat sich in den letzten Jahren in diesem Bereich vieles zum Guten verändert. Immer mehr NGOs kommunizieren heute klarer über die politischen Ursachen von Armut und setzen sich politisch ein, in der Schweiz sowie vor Ort.
Alliance Sud hat ein Manifest für eine verantwortungsvolle Kommunikation publiziert – was sind die wichtigsten Kriterien?
Wichtig ist, ein authentisches und wahrhaftes Bild des globalen Südens zu vermitteln. Dafür müssen die Organisationen den Kontext und die strukturellen Ursachen von Armut und Ausgrenzung erklären und die Partner vor Ort zu Wort kommen lassen. So entsteht ein faktenbasierter Diskurs. Das Bild, das vermittelt wird, sollte realistisch sein.
Häufig wird mit Kindern mit traurigen Augen geworben. Haben die Organisationen damit Erfolg?
Im Fundraising haben viele nach wie vor das Gefühl, das sei wirksam für die Spendenbereitschaft. Doch ich denke, einiges hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Es findet ein Umdenken statt, die Leute sind heute besser informiert und aufgeklärt. Heute ist vielen bewusst, dass Armut eine politische Komponente hat, und sie können mehr Informationen verarbeiten als ein vereinfachendes Bild von einem traurigen Kind.