«Spaziergang» mit Sprayereien

Der Bund

BERN / Zum dritten Mal fand am Samstagabend ein so genannter «antifaschistischer Abendspaziergang» durch die Berner Altstadt mit rund 2000 Teilnehmern statt. Dabei kam es zu massiven Sachbeschädigungen und zu Zusammenstössen mit der Polizei.

? CHRISTOF KAUFMANN

Sprayereien an Schaufenstern, Fassaden und Fahrzeugen, 33 Festnahmen, mehrere Verletzte sowie ein geschätzter Sachschaden von über 100’000 Franken – der «3. Antifaschistische Abendspaziergang» hat in der Berner Altstadt breite Spuren hinterlassen. Was von den Organisatoren als lautstarke, aber friedliche Demonstration angekündigt worden war, endete in einer Konfrontation mit der Berner Stadtpolizei.

Grund für das Eingreifen der Polizei waren mehrere Dutzend Vermummte, die den Schutz der Masse nutzten, um mit Spraydosen Schriftzüge entlang der Wegroute der Demonstranten anzubringen. Dabei wurden vor allem Schaufenster von Boutiquen sowie teure Autos ins Visier genommen. Aber auch die Trams und Busse von BernMobil wurden mit Parolen aller Art verunstaltet. Zwar hatte die Stadtpolizei Bern vorgängig bekannt gegeben, dass für sie die Tatsache, dass die Kundgebung unbewilligt war, noch kein Grund zum Eingreifen sei. Aufgrund der massiven Sachbeschädigungen sah sie sich aber gezwungen, von ihrer erklärten «De-Eskalations-Strategie» abzuweichen und auf Konfrontationskurs mit den Demonstranten zu gehen.

Bei der Nydeggbrücke wurden die Demonstranten zuerst daran gehindert, wie von den Organisatoren geplant durch die Junkerngasse wieder Richtung Bahnhof zu laufen. Anschliessend sperrten die Polizeigrenadiere auch die Gerechtigkeitsgasse, woher der Kundgebungszug gekommen war. Nach fast zweistündigem Abwarten gelang es den Demonstranten schliesslich, diese Sperre zu durchbrechen, worauf es beim Bollwerk in der Nähe des Bahnhofs zu weiteren Zusammenstössen und Festnahmen kam.

Strafrechtliche Konsequenzen

Aufgrund der Ereignisse sprachen die Kundgebungsorganisatoren des «Bündnisses Alle gegen Rechts» davon, dass die Stadtpolizei Bern «ein weiteres Mal ihr Gesicht verloren» habe, und beklagte sich über massive Polizeiübergriffe. Demgegenüber betonte Polizeisprecher Beat Gross die unerwartet hohe Gewalttätigkeit der Linksautonomen. Die 33 festgenommenen Personen müssen laut Gross mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen: «Es wird sicher Anzeigen wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruch geben.»

Uneinig waren sich Polizei und Linksautonome nicht nur bei der Beurteilung der Ereignisse, sonder auch bei der Anzahl der Teilnehmer am antifaschistischen Abendspaziergang. Während die Stadtpolizei Bern von rund 1600 Personen ausgeht, sprachen die Autonomen von über 3000 Demonstranten.

KOMMENTAR

FASCHISTOIDE ANTIFASCHISTEN

? STEFAN BÜHLER

Vor einem Jahr erschütterte der Mord an Marcel von Allmen die Öffentlichkeit. Die Täter: seine rechtsextremen Freunde. Dann tauchten gewalttätige Skinheads in Burgdorf auf. Und letzte Woche ein Angriff von mutmasslich Rechtsextremen auf Jugendliche in Köniz. Das sind nur drei Beispiele – wahrlich, es gibt gute Gründe, gegen den Rechtsextremismus ein Zeichen zu setzen.

Vor diesem Hintergrund wäre es ein erfreuliches, ja wichtiges Signal gewesen, dass sich um die 2000 Personen für den 3. Antifaschistischen Abendspaziergang mobilisieren liessen. Und bestimmt wäre die Kundgebung in der Bevölkerung auf viel Verständnis, auf breite Zustimmung gestossen.

Wäre – hätten nicht einige Dutzend Randalierer die Kundgebung ins Gegenteil dessen verwandelt, was sie sein wollte. Aus der Anonymität heraus, geschützt von der Masse der Demonstranten, wussten sie nichts Besseres, als die Stadt von oben bis unten zu versprayen, die Polizei – die sich mit Rücksicht auf die friedlichen und vielen sehr jungen Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer lange zurückhielt – mit Pöbeleien zu provozieren und die Beamten als «Faschos» zu beschimpfen.

Dabei waren es gerade die Trupps des so genannten Demoschutzes, deren Verhalten als faschistoid bezeichnet werden muss: Im Stile einer Bürgerwehr organisiert, uniform vermummt und behelmt, erinnerten sie fatal an die Schlägertrupps einstiger faschistischer Regimes. Ins Bild passt überdies die Weigerung der Organisatoren, mit der Polizei zusammenzuarbeiten: Offenbar sind diese angeblich linken Aktivisten gegen das Machtmonopol des demokratischen Staats – auch hier treffen sich ihre Ansichten mit jenen rechtsextremer Kreise.

Bleibt nur die Hoffnung, dass das Verhalten der Randalierer nicht in politischer Überzeugung, sondern allein in schierer Dummheit gründet – und sich auch die Organisatoren nächstes Jahr auf ihre ursprünglichen Anliegen besinnen.