«Nur zum Spass ein Skinhead»
Seit gestern stehen drei ehemalige Skinheads wegen der Schüsse auf die Solterpolter-Wohngemeinschaft im Marzili vor Gericht. Drei brav angezogene junge Männer, die sich an die Tat nicht erinnern wollen.
Eveline Kunz
Der 23-Jährige im weissen Hemd und den feinen Schuhen sitzt aufrecht vor den Richtern, lacht ab und zu verschmitzt. Gemeinsam mit zwei Kollegen muss er sich wegen versuchter Tötung vor dem Kreisgericht Bern-Laupen verantworten. Drei Sturmgewehrmagazine hat er in der Nacht auf den 10. Juli 2000 auf die von Linksautonomen bewohnte Soltermann-Liegenschaft im Berner Marzili gefeuert. Sein Kollege leerte nach eigenen Aussagen zwei Magazine. Die Polizei zählte rund 110 Einschusslöcher. Es sei nur grossem Zufall zu verdanken, dass die fünf Personen im Gebäude unverletzt blieben, schrieben Polizei und Untersuchungsrichter. «Hass gegen Linke» sei das Motiv der Tat gewesen, sagten die Angeschuldigten kurz nach ihrer Verhaftung aus.
«Wollte provozieren»
«Ja, ich war ein Skinhead, aber nur aus Spass», erklärt der 23-jährige Schütze vor Gericht unbekümmert. «Ich hatte eine Glatze und eine Bomberjacke. Springerstiefel trug ich aber nicht, die sind unbequem.» Dass er zu einer Neonazigruppe gestossen sei, habe sich «einfach so» ergeben: «Wir hatten im Dorf oft Probleme mit Ausländern». Mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg habe er sich nie wirklich auseinander gesetzt, und für Politik habe er sich nicht interessiert. Er habe vielmehr einfach provozieren wollen. Laut einem psychiatrischen Gutachten litt der 23-Jährige auf Grund schwerer Legasthenie an fehlendem Selbstwertgefühl, das er in der Skinheadgruppe kompensiert habe. Heute distanziere er sich von dieser Ideologie, erklärt der gelernte Velomechaniker vor Gericht. Er hat im Dezember 2000 den vorzeitigen Strafvollzug angetreten und ist seit vier Wochen in der Strafanstalt in psychiatrischer Behandlung. Wer die Idee zur Schiesserei hatte und wie das Ganze ablief, daran könne er sich kaum mehr erinnern, erklärt er dem Gericht. «Ich war mir nicht bewusst, dass ich jemanden gefährden könnte», sagt er. «Ich habe mir nicht überlegt, dass sich jemand im Gebäude aufhalten könnte.» Vor dem Untersuchungsrichter hatte er kurz nach der Tat gesagt, man habe den Linken «einen Denkzettel verpassen wollen». Und: Er habe gewusst, dass sich Personen im hinteren Teil des Gebäudes aufhielten.
«Bin absolut gegen Gewalt»
Zuerst hätten sie bei der Reithalle eine Schlägerei anfangen wollen, erzählt der zweite Schütze, ein heute 21-jähriger Koch. Die Reithalle sei aber zu zentral gelegen, deshalb seien sie dann auf Solterpolter gekommen. Wessen Idee das war, wisse er heute nicht mehr. «Heute bin ich absolut gegen Gewalt», erklärt der 21-Jährige, der wegen zweier Schlägereien vorbestraft ist. «Ich habe sicher nicht beabsichtigt, jemanden zu töten.» Sie hätten den Bewohnern nur einen Schreck einjagen wollen. Auf die Frage von Staatsanwalt Hansjörg Jester, warum sie dann nicht einfach in die Luft geschossen hätten, weiss er keine Antwort. Es sei ihm erst zu Hause klargeworden, was alles hätte passieren können, sagt er.
«Die Kollegschaft gefiel»
«Es war die Kollegschaft unter den Skins, die mir gefiel», sagt der dritte Angeschuldigte. Dass man ab und zu ein Hakenkreuz an die Wand geschmiert habe, darüber habe er sich keine Gedanken gemacht. Er sei zu wenig lange dabeigewesen. «Ich kam erst in der Untersuchungshaft darauf, was alles hinter dem Rechtsextremismus steckt.» Der heute 20-jährige hat am 10. Juli 2000 die beiden Schützen zum Tatort gefahren. Und er hatte Zugang zu dem Schiessstand, wo die drei ein zweites Sturmgewehr und die Munition holten. Den Tatort auf dem Soltermann-Areal wollen sich die Richter heute ansehen, morgen folgen die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigung. Das Urteil des Gerichts wird für Freitag erwartet.