PROZESS / Wegen Tätlichkeit, Nötigung und Raufhandels – unter anderem begangen an der Burgdorfer Solennität 2000 – wurde gestern ein 19-Jähriger zu 1000 Franken Busse verurteilt. Als er die Taten beging, war der Angeklagte Mitglied der Nationalen Offensive.
cbb. Der 19-Jährige trägt seine Haare millimeterkurz und ist fast schon brav gekleidet: Im blauen Poloshirt und im weissen Gilet aus Strick nahm er gestern auf Schloss Burgdorf vor Strafeinzelrichter Bernhard Brunner Platz. Es sind verschiedene Delikte, die ihm zu Last gelegt werden: Der Angeklagte muss sich wegen Tätlichkeit, evtl. einfacher Körperverletzung, Nötigung und Raufhandels verantworten. Im Fall einer Sachbeschädigung wurde der Strafantrag zurückgezogen, weil der Angeklagte den Schaden vollumfänglich ersetzen und der Organisation Amnesty International eine Spende überweisen wird.
Im Oktober des letzten Jahres soll der Angeklagte an einem Fest in Utzenstorf einen anderen Mann geschlagen haben, offenbar weil dieser zuvor gegenüber einer Frau tätlich geworden war. Im September des letzten Jahres wurde der Angeklagte wegen Nötigung angezeigt, weil er jemanden umgestossen, getreten und vom Platz vertrieben habe. Und am 26. Juni 2000 war der Angeklagte mit von der Partie, als es an der Burgdorfer Solätte auf der Gebrüder Schnell Terrasse zu gewalttätigen Übergriffen aus rechtsextremen Kreisen gekommen war. «Ich bin im Hintergrund gestanden und habe nicht selber zugeschlagen», erklärte der Angeklagte gestern vor Gericht. Er befand sich an jenem Abend in Mötschwil, als er per Handy «aufgeboten» wurde: An der Solennität könne es zu einer Auseinandersetzung zwischen Rechten und Linken kommen, habe ihm sein Kollege mitgeteilt. Also habe man sich im Burgdorfer Pub getroffen und sei dann zur Gebrüder Schnell Terrasse gezogen. Sie hätten eine Gruppe von 10 bis 15 Personen gebildet. Und ja, er sei damals ein Skinhead und Mitglied der Nationalen Offensive gewesen.
«Ausgestiegen»
Dies sei heute anders: «Ich habe damit abgeschlossen», erzählte der Angeklagte. Er sei ausgestiegen. Zwar kenne er die Leute noch, sehe sie manchmal und spreche mit ihnen. «Aber aus der Szene bin ich weg.» Die Mitgliedschaft zur Nationalen Offensive habe er aufgelöst. «Das Ganze ist mir zu stark auf dem Nationalsozialismus hinausgegangen.» Letzten Sommer hat der Angeklagte ein neue Lehre angefangen. Und er hat eine Freundin, «die mir geholfen hat, rauszukommen». Der 19-Jährige zeigte sich geradezu bekehrt: «Heute lehne ich Gewalt ab.» Es tue ihm leid, was geschehen sei. «Es wird nicht wieder passieren.» Obwohl er nicht überprüfen könne, dass er sich von der rechtsextremen Szene distanziert habe, glaube er dem Angeklagten, erklärte Richter Brunner in seiner Urteilseröffnung. Er stellte dem 19-Jährigen deshalb eine günstige Prognose aus und sah von einer bedingten Gefängnisstrafe ab: Der Angeklagte wurde wegen Tätlichkeit, Nötigung und Raufhandels zu einer Busse von 1000 Franken (nach einer Probezeit von zwei Jahren aus dem Strafregister löschbar) und zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt. Als Ironie des Schicksals bezeichnete Brunner, dass ausgerechnet und «gottlob» ein Kollege des Angeklagten in der «Massenkeilerei» durch einen Messerstich in den Hintern verletzt wurde. «Denn hätte es keine klaren Verletzungen gegeben, wäre es unter Umständen gar zu einem Freispruch gekommen, den die Öffentlichkeit nicht verstanden hätte.»
Bussen bis 600 Franken
An der Burgdofer Solennität 2000 war der Angeklagte einer unter weiteren: Insgesamt wurde gegen zwölf Personen ermittelt. Der grösste Teil der Angeschuldigten bekam eine Busse zwischen 500 und 600 Franken auferlegt. Eines dieser Strafmandate ist angefochten worden; es wird zum Prozess kommen. Zwei Fälle wurden wegen weiterer Delikte an die Untersuchungsbehörden der Stadt Bern überwiesen.