Tages-Anzeiger
Das Bezirksgericht Aarau verurteilte drei Skinheads wegen eines Angriffs auf einen
Mann, der kaum hört. Die Rechtsextremen traktierten ihr Opfer noch, als es auf
dem Boden lag.
Von Thomas Knellwolf, Aarau
Rechtsextreme gaben sich gestern im Aargauer Bezirksgericht die Klinke in die Hand:
Frühmorgens nahm der herausgeputzte frühere «Bundesvorstand» der Partei National
Orientierter Schweizer (Pnos) auf der Anklagebank Platz, anschliessend – für einen zweiten
Strafprozess – ein kahl rasiertes Schlägertrio. Die Pnos-Spitze musste sich wegen rassistischer
Schriften verantworten, die drei Skinheads wegen einer Attacke auf einen Hörbehinderten. Zu
diesem Gewaltakt war es bereits in der Nacht auf den 14. Januar 2008 gekommen, doch bislang
wurde weder der rechtsradikale Hintergrund der Täter noch die Behinderung des Opfers publik.
Die Aargauer Kantonspolizei hatte diese Umstände nicht genannt, als sie in einem dürren
Communiqué von einer «Auseinandersetzung» im Lokal Riders im aargauischen Densbüren
schrieb.
Im Western-Lokal hatten damals die jungen Täter den Geburtstag eines Kameraden gefeiert.
Die kleine Festgesellschaft fühlte sich provoziert durch ein Mitglied eines Motorradklubs, das
«auf einmal so komische Gesten machte», wie einer der Angeklagten zu Protokoll gab.
Niemand will wahrgenommen haben, dass der Gast an der Bar in Gebärdensprache mit seinem
Begleiter kommunizierte. Als die beiden Unbekannten das Riders verliessen, folgten ihnen die
Glatzköpfe. Vor dem Lokal traktierten zwei der Rechtsradikalen den Hörbehinderten und
zertrümmerten dessen Hörgerät. Ihrem Opfer versetzten sie noch Fusstritte, als es auf dem
Boden lag.
Von einem «verwerflichen Angriff» sprach Gerichtspräsident Thomas Müller und verurteilte die
einschlägig vorbestraften Haupttäter wegen Angriffs zu unbedingten Geldstrafen von 210
Tagessätzen von 90 beziehungsweise 120 Franken. Das gezeichnete Opfer erzählte gestern
dem Gericht, es leide seit der Tat an Konzentrationsproblemen und sei seither wegen
Angstzuständen in ärztlicher Behandlung. Die Täter müssen nun laut dem Urteil für die
verursachten gesundheitlichen Kosten aufkommen. Der dritte Angeklagte, der den Begleiter des
Hörbehinderten leicht verletzt hatte, kam mit einer bedingten Strafe von 150 Tagessätzen à 120
Franken davon.
Richterliches Geleit für Pnos
Im Gegensatz zu den geständigen Prüglern bestritten im Prozess zuvor die drei ehemaligen und
zwei aktuellen Pnos-Vorstandsmitglieder sämtliche Vorwürfe. So wollen sie nicht für das frühere
rassistische Parteiprogramm verantwortlich sein.
Für Stirnrunzeln bei Prozessbeobachtern sorgte gestern Gerichtspräsident Müller. Persönlich
begleitete er die Angeklagten nach den Einvernahmen nach draussen, um Filmaufnahmen des
Lokalfernsehens zu unterbinden. Kein Verständnis für diese Fürsorge bringt der Freiburger
Strafrechtsprofessor Marcel Niggli auf: «Wer im Vorstand einer nationalen Partei tätig ist, muss
damit rechnen, dass er im Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit in den Medien
genannt oder gezeigt wird.»
Das Urteil wird heute publik.