Die Polizei hat im laufenden Jahr von sich aus keine Vorfälle mit Neonazis veröffentlicht. Doch diese Zeitung weiss: Es gab Schlägereien, Drohungen, Saufparties und sogar einen «Besuch» im Spital.
Eine repräsentative Auflistung der Vorfälle mit Rechtsextremen[90] ist kaum zu bewerkstelligen. Statistiken fehlen, weil die Vorfälle von den Opfern meist nicht angezeigt werden (vgl. Bericht oben) und die Polizei so keine Kenntnis hat oder diese die Vorfälle «als nicht der Rede wert» taxiert. Informationen sind deshalb fast nur in Insiderkreisen zu finden. Hier die Ausbeute:
«Hitlergruss, sonst krachts»
Beim Aarezentrum wurden laut der Antifa in den vergangenen Monaten vermehrt Menschen von den Faschos at-tackiert.
Auch im Schadaupark habe es immer wieder Belästigungen durch Naziskins gegeben. «Mit Schlagstöcken bewaffnet verlangten sie von uns, macht den Hitlergruss, sonst krachts», weiss ein junger Thuner zu berichten, der keiner einschlägigen Szene angehört und mit Freunden einen gemütlichen Abend im Park verbringen wollte.
Drohungen im Gürbetal
«Bei uns im Gürbetal ist die Hölle los! Rund 30 Rechtsextreme[90] aus dem Tal treiben jedes Wochenende ihr Unwesen! Bitte helft uns», ist im Gästebuch der Antifa-Homepage zu lesen. Dort ist auch mehr über einen Vorfall zu finden, der sich nach der Ruag-Demo vom 12. April 2003 ereignet hat. «Sechs unserer Leute wurden von Naziskins angegriffen. Es gibt drei Verletzte, einer davon muss ins Spital eingeliefert werden. Auch die Opfer bekamen darauf von der Polizei eine Anzeige wegen Raufhandels», ärgert sich die Antifa.
«In der Nacht vom 19. auf den 20. April 2003 fliegen um 23.30 Uhr Holzscheite in den Garten vom ?Mokka?», schreibt die Antifa weiter. Eine Person wird am Kopf getroffen. Wenig später kommt es beim Rex-Kreisel zu einer Schlägerei zwischen Faschos und Skatern. Der einschlägig bekannte Thuner Neonazi T.* (vgl. Kasten links) präsentiert stolz sein tätowiertes Hakenkreuz auf der Brust.
Besuch aus Deutschland
Im Sommer verbrachten offen- sichtlich Neonazis aus Deutschland ihre Ferien in Thun. Den Beweis dafür liefern sie gleich selber. Auf ihrer Homepage prahlen die Mitglieder von «Hatecrew88» mit Bildern von einem Saufgelage im Glütsch-bachtal. Wer den Deutschen und ihrem Reiseleiter T. alles zwischen die Fäuste gelangt ist, ist nicht bekannt. Bekanntschaft mit ihnen hat jedenfalls X.* gemacht. Am Abend des 25. Julis macht er sich auf den Heimweg vom Ausgang im Mokka. X. hat eine Punkfrisur, fällt aber sonst nicht auf. Plötzlich kommen zwei Skins über die Allmendstrasse auf ihn zu. Ohne Grund schimpfen und drohen sie und schlagen Fredy das Gesicht blutig. Der knapp 30-jährige Sozialarbeiter muss ins Spital und ist ein paar Tage arbeitsunfähig. Er erstattet gegen die beiden hochdeutsch sprechenden Skins Anzeige bei der Polizei Thun. Sie bestätigt das.
Am 26. Juli 2003 fallen die Deutschen und ihre Thuner Kameraden auch andern auf: Auf Anfrage bestätigte Polizeichef Erwin Rohrbach, was in dieserNacht in Thun abging: Kurz vor 18 Uhr ging bei der Polizei die Meldung ein, dass sich bei der Tropfsteinhöhle in der Guntelsey Neonazis breitmachen. Die ausgerückte Patrouille trifft eine Gruppe von zirka 12 Neonazis an. Sie haben im idyllischen Glütschbachtal zwei Schweizer Flaggen und eine mit einem Hakenkreuz aufgestellt. Die Polizisten beschlagnahmen die Hakenkreuzfahne und mahnen die Skins zur Ruhe.
Später, es war nach 23 Uhr, warten im Wartezimmer des «Notfalls» im Spital Thun ein Patient mit Freunden auf die Behandlung- auch der Neonazi T. und eine Kollegin sind dort. Sie bauen mit Legosteinen ein «Konzentrationslager» und ein SS-Logo. Der Notfallpatient schaut dem Klötzchenspiel befremdet und geschockt zu. Als T. und Anhang das Wartezimmer kurz verlassen, nimmt er das SS-Logo zur Hand und will es zerlegen. «Lass das! Du Scheisskerl», ruft da plötzlich Neonazi T. durchs Fenster und zeigt seine Brust – mit dem tätowierten Hakenkreuz. Der Patient erschrickt und wirft das Logo im Affekt zum Fenster hinaus. Er informiert den Wachmann, der die Neonazis zum Gehen auffordert.
Spitalpersonal bedroht …
Statt dessen fordert Neonazi T. per Handy Verstärkung an. Sie trifft Minuten später zirka acht Mann stark beim Spital ein. Sie stossen laut Thuns Polizeivorsteher Heinz Leuenberger gegen ausländische Spitalmitarbeitende sowie weitere Personen im Wartezimmer «verbale Drohungen» aus. Ein Unbeteiligter kriegt auch einen Schlag gegen das Gesicht ab. Der Wachmann alarmiert die Polizei. Die Neonazis suchen schimpfend das Weite und drohen. Auf dem Weg zum Spital kreuzt die Polizei die Flüchtenden. Im Spital will keiner Anzeige erstatten. Im Polizeibericht steht, dass es sich um die gleichen Neonazis gehandelt haben dürfte wie Stunden zuvor im Glütschbachtal.
Um 2 Uhr kommt die Meldung, dass sich die Neonazis jetzt in der «Bierhalle» aufhalten. Es bleibt aber ruhig – bis kurz nach 4 Uhr die Café Bar Mokka Alarm schlägt. Vor der versperrten Glastüre stehen gegen 15 Neonazis. Sie sind mit Knüppeln, Schlagstöcken und anderem Gerät bewaffnet, und sie drohen damit, die Mokka-Besucher zu verprügeln. Doch die Polizei ist diesmal schnell vor Ort und kann Schlimmeres verhindern.
Vorfall in Kandersteg
In der Nacht auf den 7. September verprügeln 13 rechtseingestellte Jungschützen in Kandersteg einen Einheimischen. «Sie schlugen ihn auf brutalste Weise mit Fäusten und Flaschen nieder und traktierten den verletzt am Boden liegenden Jugendlichen mit Fusstritten», berichtet ein Augenzeuge.
10 Nazis gegen 1 Skater
Am vergangenen Freitag zieht wieder eine Horde von rund 20 Naziskins durch Thun. Offenbar saufen sie sich in der Bierhalle Mut an. Gegen 23.30 Uhr verprügeln rund 10 von ihnen vor dem Selve-Areal einen jungen Skater. Trotz den Schlägen kann er sich ins Café Mokka retten. 20 Minuten später trifft die Polizei ein. Die Skins sind mit ihrem weissen Lieferwagen schon über alle Berge. Untersucht wird auch dieser Fall nicht. Das Opfer hat die Schläger nicht angezeigt.