09. September 2001 Polizei konfiszierte Schlagwaffen und eine Schreckschusspistole VON CLAUDIA IMFELD OBERGÖSGEN SO – Einige der Jugendlichen haben früher zusammen die Schulbank gedrückt. Das hinderte sie aber nicht daran, sich in der Nacht auf Samstag im solothurnischen Obergösgen mit Bierflaschen und Steinen zu bewerfen. Schauplatz der Schlägerei war das so genannte Beizlifest, das jedes Jahr mit ein paar Chilbibahnen und einem guten Dutzend Festzelt-Restaurants Leben in den Dorfalltag gleich neben dem Kernkraftwerk Gösgen bringt. Linke Jugendliche aus Obergösgen feierten zusammen mit Freunden aus der Umgebung etwas abseits des Geschehens, als plötzlich eine Hand voll Skinheads auftauchte. «Die Glatzköpfe telefonierten, und kurz darauf war ihre Gruppe auf etwa dreissig Leute angewachsen», erinnert sich eine Festbesucherin. Wenig später flogen laut Augenzeugen Flaschen in Richtung der etwa 25 feiernden linken Jugendlichen. Das Geschehen eskalierte, als drei der 15- bis 22-Jährigen sich einen Weg an den Skinheads vorbei bahnen wollten. «Nachdem sie uns mit Steinen beworfen hatten, versuchte ich mich in einem Garten zu verstecken», erzählt eine von ihnen. Die Skinheads seien ihr gefolgt und hätten sie mit einem Morgenstern verletzt. In der Folge kam es auf der Strasse vor dem Restaurant Frohsinn zum Gerangel zwischen den Gruppierungen. Als die Polizei vor Ort eintraf, standen sich je etwa 25 Leute beider Lager gegenüber, schrien sich laut Polizeimeldung Schimpfwörter zu und bewarfen sich mit Gegenständen. Die rund zwei Dutzend Polizisten trennten die Gruppen, konfiszierten bei den Skinheads diverse Schlaginstrumente sowie eine Schreckschusspistole und nahmen drei 19-Jährige fest. Laut Peter Schluep von der Kantonspolizei Solothurn ist aber keiner der Festgenommenen in Zusammenhang mit der rechtsextremen Szene bekannt. Sie wurden gestern früh wieder laufen gelassen. Ein Grund für die Aggressionen ist vielleicht der fehlende Jugendtreff Im Rahmen der Aktion standen im Grenzgebiet Erlinsbach/Dulliken zusätzlich vier Patrouillen der Kantonspolizei im Einsatz. Die meisten der kontrollierten Personen kommen gemäss Polizeiangaben aus der Region. Laut Augenzeugen waren aber auch Ortsansässige an den Rangeleien beteiligt. Die Gegend um das Dorf ist für Streitigkeiten unter Jugendlichen bekannt. Einen Grund dafür sehen Eltern der betroffenen Jugendlichen im fehlenden Jugend-Treffpunkt. Es gebe, so die Mutter eines 18-Jährigen, keinen Ort, wo die Jungen über längere Zeit ungestört bleiben könnten. So seien vor einigen Wochen in einer Garage, die den jungen Leuten als Treff diente, Campinggasflaschen angezündet worden. Verletzt wurde niemand, aber die jungen Obergösger standen wieder ohne Treffpunkt da. Die alteingesessenen Obergösger sehen die Lösung des Problems an einem anderen Ort: Die Jungen müssten einfach in den Ortsvereinen ihre Energie abladen, zum Beispiel im Schiessverein. Einen Jugendtreff brauche es nicht, sagt ein älterer Obergösger, und ein anderer doppelt nach: «Es ist ganz einfach – die Jugend muss sich ändern.» Um erneute Ausschreitungen zu verhindern, setzte die Kantonspolizei Solothurn am gestrigen zweiten Festabend auf dem Festgelände zwölf Beamte in Zivil oder Uniform ein, etwa zwei Dutzend Polizisten waren zusätzlich in Bereitschaft.Solothurn: Regierung kündigt Null-Toleranz-Politik an Schlägereien zwischen Jugendlichen häufen sich im Kanton Solothurn. Und sie werden immer brutaler. «Wir akzeptieren keine Gewalt», sagt Regierungsrat Rolf Ritschard, zuständig für Polizei und öffentliche Sicherheit. Als Reaktion auf die Gewaltwelle propagiert die Solothurner Regierung eine Null-Toleranz-Politik. Seit Mitte August warnen fünfsprachige Plakate und Flugblätter vor Gewaltanwendung und fordern Opfer auf, Anzeige zu erstatten. Die Androhung der harten Linie – das Plakat droht mit Strafen bis zu fünf Jahren Zuchthaus für Gewalttäter – soll präventiv wirken. «Wenn verhaftete Täter aber schon nach einem Tag wieder frei sind, ist das schon demotivierend», meint Ritschard. Für die Durchsetzung von null Toleranz fehlen ihm ohnehin die Polizisten: Statt 345 stehen ihm noch 313 Mann zur Verfügung. Bei Vollbestand, rechnet Ritschard vor, könnten täglich rund um die Uhr drei zusätzliche Patrouillen auf die Piste geschickt werden: «Wir müssen mehr Polizeipräsenz zeigen, etwas anderes gibts nicht.» Den Opfern dieses Sommers nützt das nichts mehr. In den letzten zwei Monaten wurden bei sechs Prügeleien Menschen verletzt, einige schwer: Anfang Juli schlugen junge Ausländer einen Schweizer bewusstlos, vor drei Wochen gingen in Langendorf 15 Jugendliche mit Baseballschlägern auf einen 24-Jährigen los, und vor einer Woche prügelten junge Ausländer einen 58-Jährigen spitalreif