Skinkonzerte in der Schweiz

WochenZeitung

Korrekt und stets freundlich

Naziskins bezeichnen die Schweiz als Konzertparadies. Denn die Polizei schaut öfter nicht genau hin.

Hans Stutz Und Johannes Wartenweiler

Wer die freundschaftliche Zusammenarbeit der Polizei mit den Rechtsextremen gesehen hat, der weiss, dass die Polizei im Kanton Zürich nicht nur auf dem rechten Auge blind ist, sondern es bewusst zudrückt.» Diesen Vorwurf richtet die «Aktion gegen rechte Gewalt» im Anschluss an die Antifa-Demonstration vom letzten Samstag in Affoltern am Albis an die Kantonspolizei. Augenzeugen berichten, dass Rechtsextreme mit Baseballschlägern ungehindert durchs Dorf patrouillieren konnten. Skins hätten sich im benachbarten Hedingen an der Jagd nach den DemonstrantInnen beteiligt. Dort nahm die Polizei 79 Personen aus der Antifa-Szene fest.

Trotz derartigen Beobachtungen ist nicht anzunehmen, dass die Polizei mit der rechtsextremen Szene zusammenarbeitet. Aber es ist schon erstaunlich, wie gross ihre Nachsicht gegenüber diesem Milieu bisweilen ist. Das zeigte sich auch am «Hammerfest 2002», das am 10. August ebenfalls in Affoltern stattfand – und der Anlass zur Demonstration vom letzten Samstag war. Damals versammelten sich Skins aus ganz Europa auf Einladung der Schweizerischen Hammerskins (SHS) in einem Zelt. Die Kantonspolizei spielte die Angelegenheit vorerst herunter und erklärte in einer ersten Medieninformation, dass rund 500 Skins das Konzert besucht hätten. Allerdings waren mehr als doppelt so viele Skinheads anwesend, nämlich rund 1300, wie JournalistInnen vor Ort und später auch die Hammerskins feststellten. Es war gemäss den Organisatoren «das grösste Konzert, welches in der Schweiz jemals stattfand». (Immerhin korrigierte auch die Zürcher Kantonspolizei am Tag darauf deutlich nach oben und sprach von rund 1000 BesucherInnen.)

«Wir tolerieren keine Veranstaltung mit rassistischem Material», behauptete damals Polizeisprecher Werner Benz. Die Polizei hatte die ankommenden Naziglatzen tatsächlich kontrolliert, allerdings lag das rassistische Material bereits im Festzelt zum Verkauf auf. Dort aber liess sich die Polizei nicht blicken.

Dass aber derartiges Material vorhanden war, darüber gibt es nach den Aussagen eines Konzertbesuchers keine Zweifel. Er ärgerte sich in einem einschlägigen Internetforum darüber, dass er wegen der deutschen Polizei seine Nazi-Souvenirs nicht nach Hause bringen konnte: «Standen übrigens auf der Rückfahrt 2 Stunden in einer Polizeikontrolle und alle lecker CDs wurden beschlagnahmt.» Er habe nun eine Anzeige wegen Volksverhetzung und wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Zeichen am Hals.

Die Zürcher Kantonspolizei hingegen wurde von den Schweizer Hammerskins gelobt: «An dieser Stelle möchten wir uns auch bei den Polizisten bedanken, die vor Ort waren», schrieben sie auf ihrer Homepage. Weiter hiess es: «Sie (die Polizisten) machten ihre Arbeit korrekt und waren stets freundlich. Insbesondere entsprachen sie auch unserem Wunsch, die Medien fernzuhalten.»

Die Schweiz erwarb sich in den letzten Jahren bei den europäischen Naziskins den Ruf, ein «Paradies» für einschlägige Konzerte zu sein. Grössere derartige Veranstaltungen gab es in Mels SG (Februar 2001), Unterengstringen ZH (Mai 2001), Sarnen (September 2001) oder Oberberg AG (Dezember 2001). Deutsche Glatzen meckern höchstens über die hohen Bier- und Eintrittspreise, gelegentlich noch über die verstärkten Grenzkontrollen, nicht jedoch über die Polizei im Umfeld der Konzerte.

Klartext in Fanzines

Auffällig ist immer wieder, wie wenig die Polizei von den Veranstaltungen wahrnimmt. Nach einem Konzert in Unterengstringen im Mai 2001 behauptete Karl Steiner, Mediensprecher der Zürcher Kantonspolizei, gegenüber der «Aargauer Zeitung»: «Sie (die Veranstaltung) verlief in geordneten Bahnen. Es herrschte Ordnung.» Offensichtlich nahm die Polizei die Massenschlägereien nicht wahr, über die in der Glatzenszene ausführlich diskutiert wurde. Der Macher des deutschen Szenemagazins «Foier Frei» berichtete, dass er vom letzten Konzert nichts mehr mitbekommen habe, «allerdings von den vielen Schlägereien. Macht sich echt gut, wenn sich Nationalisten gegenseitig durch ein Wohngebiet jagen und vor den Ranzen hauen.» Alles in allem soll es wohl dreissig bis fünfzig Verletzte gegeben haben, wovon elf ins Krankenhaus mussten. Und auch im «Braunen Bär», einem Fanzine aus Bayern, waren die Schlägereien ein Thema: «In einer Zeit, in der es aufgrund des staatlichen Druckes sowieso nur noch sehr wenige Konzerte gibt, ist es in meinen Augen ein absolutes Unding, dass diese wenigen Konzerte durch Leute aus den eigenen Reihen ‚zerstört‘ werden.»

KEINEN MUCKS

Auch die Obwaldner Kantonspolizei vermittelte in ihrem Communiqué den Eindruck einer friedlichen Veranstaltung, als am 21. September 2001 in Sarnen fünf Bands auftraten: Es habe sich um eine geschlossene Veranstaltung mit Eingangskontrollen der Organisatoren gehandelt, es habe keine Störung der öffentlichen Sicherheit gegeben und keine Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm. Auch damals hatten die Hammerskins und das Wehrwolf-Records-Label das Konzert organisiert. Die Resonanz in deutschen Szeneberichten war hervorragend. Thomas aus Marburg freute sich im Fanzine «Der Lokalpatriot» über die «Verkaufsstände, die zahlreich aufgebaut waren». Weitere Schreiber waren beeindruckt, dass «das ganze unmittelbar neben einem Militärgelände stattfand» («Foier Frei»). Immerhin seien, so «Foier Frei», «für die Schweiz schon ganz schön viele Cops unterwegs» gewesen. Das meinte auch «Der Panzerbär» aus Fürstenwalde an der Spree, allerdings mit sichtlicher Geringschätzung: «Am Konzertort angekommen, sah man gleich die Bullen, aber wie es in der Schweiz normal ist, machten sie keinen Mucks.» Ganz so friedlich, wie es die Obwaldner Polizei kommunizierte, war auch dieses Konzert nicht: «Der Panzerbär», der von den Organisatoren als Security-Mann eingesetzt wurde, berichtete: «Leider gab es zwischendurch immer kleine Schlägereien, die aber dank der Security schnell unterbunden wurden.»