Für Jörg Rehberg, Professor für Strafrecht an der Universität Zürich, ist das Urteil gegen zwei gewalttätige Skinheads „nicht gerade abschreckend“.
Autor: Mit Jörg Rehberg sprach Peter Haerle
Skinheads haben 1995 in Hochdorf ein Fest überfallen und mehrere Menschen verletzt. Nun sind zwei von ihnen zu je einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Allerdings nur bedingt, obwohl der Staatsanwalt unbedingte Strafen gefordert hatte. Das ist ein mildes Urteil.
Die heutige Gerichtspraxis neigt zu kurzen Strafen. Von der Haftdauer her liegen diese Urteile im Rahmen. Über 85 Prozent aller gefällten Freiheitsstrafen in der Schweiz liegen im Bereich bis zu drei Monaten.
Umstritten ist aber, dass die Strafen nur bedingt ausgesprochen worden sind, obwohl der Staatsanwalt unbedingt gefordert hatte.
Es kommt eben stark darauf an, ob der Täter schon vorbestraft war. Wenn nicht, neigt man im allgemeinen zur Gewährung des bedingten Vollzugs.
Einer der Täter war vorbestraft und gilt laut Anklageschrift als eine Führerfigur in der Skinheadszene. Der Staatsanwalt wies nach, dass der Angeklagte trotz gegenteiliger Beteuerungen auch nach wie vor in der Skin-Szene verkehrt. Auch der andere wurde noch vor wenigen Wochen bei einer Aktion der Skinheads gesehen. Das wusste das Gericht.
Das ist ein entscheidender Gesichtspunkt. Man muss also davon ausgehen, dass beide ihre Einstellung nicht geändert haben. Bei Überzeugungstätern, von denen man annehmen muss, dass sie weiter gewalttätig bleiben, hätte das sehr wohl zur Verweigerung des bedingten Vollzugs führen können.
Sie sagen „können“, warum hat denn das Gericht anders entschieden?
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt mir nicht vor. Ich kann dazu nur sagen, dass der Richter einen relativ grossen Ermessensspielraum hat. Dazu kommt, dass sich das Bundesgericht heute für eine grosse Zurückhaltung bei der Verweigerung des bedingten Strafvollzugs ausspricht. Man will nicht – und das Bundesgericht drückt das ein bisschen seltsam aus -, dass der Täter durch eine unbedingte Strafe entsozialisiert wird. Das Bundesgericht meint damit, dass die unbedingte Gefängnisstrafe der Integration des Betreffenden schaden kann, falls er beispielsweise geregelt arbeitet.
Vielleicht hat sich das Kriminalgericht Luzern von solchen Überlegungen in seiner Entscheidungsfindung leiten lassen. Ich bin da aber gar nicht gleicher Meinung, weil das für eine gute Prognose nicht allein entscheidend ist.
Wenn man bedenkt, dass andere junge Menschen die Taten dieser zwei jungen Männer nachahmen könnten, wirkt diese bedingte Strafe nicht gerade abschreckend.
Am Dienstag wurde der Staatsschutzbericht des Bundes veröffentlicht. Dieser warnt davor, die Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt zu unterschätzen. Widerspricht dieses Urteil nicht gerade dieser Einschätzung?
Das könnte man sagen. Andererseits muss sich der Strafrichter auf den konkreten Fall beziehen. Der Richter soll nicht allgemein kriminalpolitische Erwägungen in seinen Entscheid einfliessen lassen, so nach dem Motto: Hier müssen wir ein Exempel statuieren. Das würde ja heissen, dass ein Täter einzustehen hätte für mögliche weitere Straftäter. Das ist nicht recht.
Das leuchtet ein. Nur: Ein Täter war ja einschlägig bekannt, er leistete jahrelang Aufbauarbeit bei den Skinheads. Hätte man bei ihm, dem Einzelfall, nicht einen Riegel schieben müssen?
Ja, und zwar im Hinblick auf die Vorgeschichte dieses konkreten Täters, also ganz unabhängig von allgemeinen kriminalpolitischen Erwägungen.
Würden Sie dem Staatsanwalt raten, das Urteil weiterzuziehen?
Wenn es wirklich zutrifft, dass der betreffende Täter eine Führerfigur ist und er sich nicht vom Gedankengut dieser Bewegung losgesagt hat, sind seine Prognosen schlecht. Dann müsste man als Staatsanwalt konsequenterweise diesen Fall weiterziehen, das ist meiner Meinung nach ganz klar.