Zentralschweiz am Sonntag vom 28.06.2009
Die 623. Schlachtfeier stand im Schatten politischer Gruppen. Die Polizei hatte die Situation unter Kontrolle doch dies hatte seinen Preis.
Tobias Lang und Barbara Inglin
Sempach glich gestern Morgen einer Festung: Der Autobahnzubringer war gesperrt, die Eingänge ins Städtli waren mit Gitterwagen blockiert, unzählige Polizisten waren postiert. «Es ist deprimierend, was aus der Schlachtfeier geworden ist», sagt Walter Emmenegger aus Neuenkirch. Der 60-Jährige hat die Sempacher Schlachtjahrzeit in den letzten Jahren regelmässig und gerne besucht. Doch dieses Jahr bleibt er nicht lange. «Das ist ja lachhaft mit dem ganzen Polizeiaufgebot. Das ist schade», sagt er und sucht das Weite. Auch Marijan Zatko aus Sempach fühlt sich unwohl: «Es ist beängstigend, was hier abgeht», so der 43-Jährige.
Linksaktivisten eingekesselt
Das riesige Polizeiaufgebot hat sein Ziel erreicht. Es verhinderte, dass Linksaktivisten, die auf dem Schulhausplatz vor dem Luzernertor eine bewilligte Kundgebung abhielten, mit Rechtsextremen zusammenstiessen, die die offizielle Feier (siehe Kasten) besuchten. 80 bis 100 mehrheitlich junge Leute folgten dem Aufruf der Juso und setzten laut Mitorganisator David Roth mit ihrer Kundgebung ein Zeichen «gegen die tolerierte Präsenz der Neonazis». Auf dem Rückweg zum Bahnhof wurden die Demonstranten von der Polizei eingekesselt. «Dies, weil wir einige wenige Personen identifizieren wollten, die gegen das Vermummungsverbot verstossen haben», sagt Urs Hangartner, Informationschef des Kantons Luzern. Nach zirka 30 Minuten liess die Polizei die Demonstranten ziehen. Die rund 200 Rechtsextremen verliessen die offizielle Feier nach der Begrüssung. Statt in die Kirche marschierten sie Richtung Schlachtkapelle, wo sie einen Kranz niederlegten. Vier Rechtsextreme wurden wegen Verstössen gegen das Waffengesetz verzeigt.
Verpolitisierung unerwünscht
Obwohl die Polizei die Situation gestern unter Kontrolle hatte, bleibt ein fahler Beigeschmack. Den Organisatoren ist die Verpolitisierung der Feier, die das Sicherheitsdispositiv nötig macht, ein Dorn im Auge. «Der Anlass ist nicht für politische Werbung gedacht. Wer solche Ziele verfolgt, ist hier falsch», sagt der Luzerner Regierungspräsident Max Pfister. Sempachs Stadtpräsident Franz Schwegler sieht dies genau gleich: «Politische Gruppierungen sollen die Feier nicht instrumentalisieren oder gar missbrauchen. Diese Leute sind hier nicht willkommen.» Der Applaus der Zuhörer zeigt: Auch sie haben genug vom politischen Rummel um ihre Schlachtfeier.
Gedenkanlass
«Sehr feierlich in der Kirche»
Ein Ritter stülpt sich auf dem Parkplatz noch schnell Kettenhemd und Helm über. Dann marschiert er los Richtung Altstadt Sempach. In der Stadt wimmelt es bereits von Herolden und Trachtenfrauen, Hellebarden, Speeren und bunten Rüstungen.
«Das habe ich noch nie erlebt»
Doch das Wetter spielte nicht mit in Sempach. Die Gedenkfeier zur historischen Schlacht vom 9. Juli 1386 musste kurzfristig in die Pfarrkirche Sempach verlegt werden. «Das habe ich noch nie erlebt, normalerweise ist der Gedenktag ein Schönwettertag», sagt Stadtpräsident Franz Schwegler. «Aber der Anlass in der Kirche war sehr feierlich, fast so schön wie jeweils auf dem Schlachtfeld.» Schwegler führte durch die Feier, Regierungspräsident Max Pfister hielt eine Kurzansprache. Für die Festansprache konnte Nationalratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi gewonnen werden. «Es ist eine grosse Ehre für mich, als erste Tessiner Frau hier zu Ihnen zu sprechen», sagte sie. Und: «Es ist mir ein Anliegen, dass mein Auftritt hier in Sempach ein Symbol für die Willensnation Schweiz ist.» Die traditionelle Kranzniederlegung durch den Luzerner kantonalen Unteroffiziersverband vor dem Winkelrieddenkmal wurde ebenfalls in die Kirche, vor den Altar, verlegt.
Verkürzter Umzug
Nach der Gedenkfeier zog der Festzug unter Nieselregen direkt zu Umtrunk und Imbiss in die Festhalle am See.
Barbara Inglin