Neue Zürcher Zeitung vom 30.06.2011
Rechtsextreme wollen eine Woche nach dem offiziellen Anlass allein feiern
Am Sonntag findet die Sempacher Schlachtjahrzeit mit einem neuen Konzept statt, das extremistische Gruppen fernhalten soll. Die Luzerner Regierung hat eine Kundgebung von Rechtsextremen beim Schlachtdenkmal eine Woche später erlaubt.
Martin Merki, Luzern
Die Luzerner Regierung hat das Konzept für die Gedenkfeier der Schlacht von Sempach so angepasst, dass die Feier «kaum mehr Missbrauchsmöglichkeiten für politische Gruppierungen bietet und zum friedlichen Publikumsmagnet» werden kann, wie es der Projektleiter in der offiziellen Festzeitung formuliert. So lautete auch die Konzeptvorgabe. Nun plant die Partei national orientierter Schweizer (Pnos), eine Woche später auf dem ehemaligen Schlachtgelände aufzutreten. Das Luzerner Finanzdepartement, das die Liegenschaften des Kantons verwaltet, hat ein entsprechendes Gesuch der Pnos bewilligt.
Versammlungsfreiheit
Ein solches Gesuch könne grundsätzlich nicht abgelehnt werden, denn es gelte die Versammlungsfreiheit, sagt Regierungspräsident Marcel Schwerzmann. Dies sei ein verfassungsmässig garantiertes Grundrecht. Eine Einschränkung müsste im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. Die Bewilligung sei aber an verschiedene Bedingungen geknüpft worden.
Ob die Pnos tatsächlich kommt, ist offen. Ein Sprecher der Pnos erklärte dazu schriftlich auf Anfrage: «Über das weitere Vorgehen werden wir im Verlauf von nächster Woche entscheiden.» Wenn es zum zeitlich verschobenen Auftritt kommt, könnte die Rechnung der Luzerner Regierung aufgehen, dass die Rechtsextremen der offiziellen Gedenkfeier vom nächsten Wochenende fernbleiben. Höhepunkt ist am Sonntag eine Gedenkfeier in der Stadt Sempach, die mit einem Mittelalterfest verbunden wird. Die Feier beginnt mit einem Gottesdienst und dem anschliessenden Festakt mit Bundesrätin Doris Leuthard sowie einem gemeinsamen Frühstück für die Bevölkerung. Dann findet in Sempach – als Ersatz für den Umzug – ein Mittelalterfest statt, bei dem Gruppen in historischen Kostümen auftreten.
Entscheidend ist der letzte Punkt. Auf den Marsch hinauf aufs Schlachtgelände wird verzichtet. Denn das neue Konzept 2011 sieht keine offiziellen Gedenkfeierlichkeiten auf dem ehemaligen Schlachtgelände mehr vor, wo sich 1386 eidgenössische Truppen und ein habsburgisches Reiterheer massen. Der Marsch bot in der Vergangenheit rechtsextremen Gruppierungen eine Plattform. Eine Analyse der Luzerner Kantonspolizei kam zum Schluss, dass die Feier in der neuen Form für Rechtsextreme weniger attraktiv ist.
Rechtsextreme Kreise hatten den Anlass ab 2003 für einen Aufmarsch genutzt und nahmen an der Schlachtjahrzeit teil. Dies wurde von linken Parteien zunehmend als Provokation betrachtet und heftig kritisiert, aber von der Polizei nicht unterbunden, weil dabei keine Gesetzesverstösse stattfanden. Auch die Bevölkerung störte sich an der Präsenz rechtsextremer Gruppen. Vor zwei Jahren marschierte die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) mit rund 250 Anhängern auf. Die Luzerner Juso führten eine bewilligte Gegendemonstration durch, in der Vermummte dabei waren. Das Polizeiaufgebot, das den Auftrag hatte, Konfrontationen zu verhindern, kostete 300 000 Franken.
«Gschpürsch-mi-Anlass»
Der Kanton Luzern nahm dies zum Anlass, die Feier neu zu gestalten. Ohne Änderung des Konzeptes hätte man einen Scherbenhaufen riskiert, sagte Markus Hodel, Luzerns Staatsschreiber, im Vorfeld. Dass allerdings kein Festzug auf das ehemalige Schlachtgelände mehr stattfindet, stört bürgerliche Politikerinnen und Politiker nach wie vor. Bis auf die SVP, welche die Veranstaltung als «Gschpürsch-mi-Anlass» verspottete, stellten sich jedoch alle Parteien hinter das neue Konzept. Für die Luzerner Regierung ist es nicht ein Neubeginn, sondern eine Weiterentwicklung der bisherigen Schlachtjahrzeit. 2011 ist ein besonderer Anlass, jährt sich doch der Gedenktag zum 625. Mal. Die Gedenkfeier lässt sich der Kanton Luzern in diesem Jahr 330 000 Franken kosten, so viel wie den Polizeieinsatz vor zwei Jahren. Nach dem Anlass geht die Luzerner Regierung über die Bücher und entscheidet, welche Elemente beibehalten werden sollen.