SD-Vizepräsident bildet deutsche Neonazis am Sturmgewehr aus

TagesAnzeiger

Der Vizepräsident der Schweizer Demokraten, Roland Wagner, hat deutsche Neonazis zu Schiessübungen in die Schweiz eingeladen. Die Partei will vorerst keine Konsequenzen ziehen.

Von Daniel Foppa

Am 10. August führte die Schützengesellschaft Wölflinswil AG im Schützenhaus Weidli in Oberhof AG ein Schiesstraining durch. Mit von der Partei: zwei einschlägig bekannte deutsche Neonazis. Eingeladen hatte sie der 23-jährige Roland Wagner, Vizepräsident der Schweizer Demokraten (SD) und Aargauer Nationalratskandidat. Unter Anleitung des ausgebildeten Schützenmeisters übten die Neonazis die Handhabung eines Schweizer Armee-Sturmgewehrs. Die antifaschistische Forschungsstelle Apabiz in Berlin hat das Schiesstraining heimlich gefilmt und fotografiert.

Gemäss ihren Angaben handelte es sich bei Roland Wagners Gästen um den 25-jährigen Timo Völkel aus Bad Soden und dessen 22-jährige Lebensgefährtin Daniela Übelacker aus Eppstein. Völkel ist ein Kadermitglied der militanten Neonazi-Vereinigung «Freie Nationalisten Rhein-Main». Deren Anführer, der hessische NPD-Landesvorsitzende Marcel Wöll, ist wegen Gewalttaten mehrfach vorbestraft. Am 7. August 2007 wurde er zudem wegen Holocaustleugnung zu einer viermonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Völkel selbst fiel wie Übelacker in den letzten Jahren an verschiedenen Neonazi-Treffen auf, unter anderem am 14. August 2006 in Jena an der Ersatzveranstaltung für einen verboteten «Rudolf-Hess-Marsch».

Für Wagner ist die braune Gesinnung seiner Gäste, die mit weiteren deutschen Neonazis mehrere Tage bei ihm in den Ferien weilten, kein Problem. «Ich suche mir meine Freunde nicht auf Grund ihrer politischen Gesinnung aus», erklärt er auf Anfrage. Zum neonazistischen Hintergrund von Völkel und Übelacker wollte sich Wagner nicht äussern. Er erklärt lediglich, in Oberhof habe ein «ganz normales Schiesstraining mit Freunden» stattgefunden. Gleichzeitig droht der SD-Vizepräsident und Nationalratskandidat rechtliche Schritte an, falls man die Geschichte publik mache.

Gegen Bewilligungspflicht verstossen

Wortkarg gibt sich auch Bernhard Hess, Zentralpräsident der Schweizer Demokraten. «Ich habe mir Herrn Wagner zur Brust genommen», sagt der einzige SD-Nationalrat. Der Vorfall werde parteiintern diskutiert – allerdings erst nach den Wahlen. Weiter möchte sich Hess zum Schiesstraining nicht äussern.

Mit der Einladung an seine deutschen Gäste hat Wagner gegen Schiessvorschriften verstossen. «Wenn Ausländer mit einer Ordonnanzwaffe schiessen, ist dafür eine kantonale Bewilligung nötig», erklärt Urs Weibel, Direktor des Schweizer Schiesssportverbands. Wagner sagt dazu: «Von einer solchen Bewilligungspflicht weiss ich nichts.»

Überrascht reagierte Markus Acklin, Präsident der Schützengesellschaft Wölflinswil, als er erfuhr, wer am Schiesstraining seines Vereins teilgenommen hat. «Solche Personen sind hier absolut unerwünscht», sagt Acklin, der von einem Einzelfall ausgeht. Bei einem freien Schiesstraining bestehe jedoch ob der zunehmenden Anonymität der Teilnehmer ein «gewisses Risiko für einen solchen Vorfall». Er werde Wagner zur Rede stellen und allenfalls Massnahmen einleiten.