Publik gemacht hat das Bild die Zeitung SonntagsBlick vor eineinhalb Wochen: Den rechten Arm zum Hitlergruss ausgestreckt stehen sechs junge Soldaten in einer Reihe, vor ihnen in den Schnee gestampft ein Hakenkreuz. Aufgenommen wurde das Bild nach Erkenntnissen der Militärjustiz auf einem Waffenplatz im Kanton Bern. Alles nur ein dummer Scherz oder Ausdruck von nationalsozialistischem Gedankengut?
Umstrittene Strafnorm
Das Schweizer Stimmvolk nahm die Antirassismus-Strafnorm 1994 mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen an. In den vorausgehenden Debatten im nationalen Parlament und während des Abstimmungskampfes hatten einzelne Personen, politische Parteien und Gruppierungen die Strafnorm als Gefahr für die freie Meinungsäusserung bezeichnet. Diese Debatte hält bis heute an.
Anders als in den Nachbarländern der Schweiz, ist der Hitlergruss hierzulande nicht grundsätzlich verboten. Zwar stellt das Verbreiten einer rassistischen Ideologie wie des Nationalsozialismus eine strafbare Rassendiskriminierung dar. Doch wer seine Gesinnung mit einem Hitlergruss öffentlich bekundet, macht sich noch nicht strafbar. Das präzisierte das Bundesgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2014.
Nur wer mit der Geste für den Nationalsozialismus wirbt, mit dem Ziel, andere Menschen für die geäusserten Gedanken zu gewinnen oder sie in ihrer Überzeugung zu festigen, verstösst gegen das Gesetz, so die Argumentation der höchsten richterlichen Behörde der Schweiz. Kurz: Wer nicht für den Nationalsozialismus wirbt, darf den Arm zum Hitlergruss also ausstrecken.
Beweggrund liegt noch im Dunkeln
Noch ist nichts bekannt über das Motiv der sechs jungen Männer. Die Soldaten der Schweizer Armee standen bis Dienstagabend unter Arrest. Nachdem das Bild publik geworden war, stellten sie sich offenbar selber. Zwar sind die Männer nun wieder bei der Truppe, wie Armee-Sprecher Daniel Reist sagt.
Neben der disziplinarischen Massnahme droht ihnen nun aber ein Prozess, die Militärjustiz hat ein entsprechendes Verfahren eröffnet. Dieses kann bis zu mehreren Monaten dauern, wie Tobias Kühne, Sprecher der Militärjustiz, erklärt.
Wer gegen die Antirassismus-Strafnorm verstösst, muss mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Im konkreten Fall käme eine Strafbarkeit dann in Betracht, „wenn die Soldaten das Bild inszeniert hätten, um es danach als Propagandamaterial im Internet zu veröffentlichen“, sagt Gerhard Fiolka, Professor für Strafrecht an der Universität Freiburg. Auch müsste die Verbreitung des Bildes öffentlich erfolgt sein. Das sei nicht der Fall, „wenn jemand ein Bild nur an einzelne Freunde, zu denen an sich ein Vertrauensverhältnis besteht, versendet und dieses dann durch Drittpersonen publiziert wird“, so Fiolka.
Jährlich rund 30 Extremismus-Fälle
Die Armee macht nicht zum ersten Mal wegen Angehörigen mit rechtsextremem Gedankengut von sich reden. Man toleriere keinen Extremismus, egal in welcher Form, stellt Armee-Sprecher Mirco Baumann klar. Eine erste Personenprüfung diesbezüglich erfolge bereits bei der Rekrutierung und somit vor Antritt der Rekrutenschule. Die Schweizer Armee sei aber eine Milizarmee und somit auch ein Abbild der Gesellschaft, so Baumann.
Um Mitglieder mit extremistischem Gedankengut möglichst früh zu erkennen, schuf die Armee vor 15 Jahren die Fachstelle Extremismus in der Armee. Zu deren Aufgaben gehört die Ausbildung und Sensibilisierung von Kadern. Sie steht aber auch bei Fragen zur Verfügung und dient als Meldestelle, wenn ein Armeeangehöriger oder ein Dritter eine Unregelmässigkeit bemerkt.
2015 erhielt die Fachstelle 34 Meldungen und Anfragen wegen Extremismus, wie aus ihrem letzten Tätigkeitsbericht zu entnehmen ist. Rund 60 Prozent der Fälle standen in einem rechtsextremen Zusammenhang.
Rassismus-Prävention früh ansetzen
Am Donnerstag kommt es zu einem Austausch zwischen einem Vertreter der Fachstelle Extremismus der Armee und der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR). Dabei gehe es nicht darum, die Armee zu kritisieren, stellt EKR-Präsidentin Martine Brunschwig Graf klar. Vielmehr wolle man die jüngsten Vorkommnisse als Anlass dazu nehmen, abzuklären wie die Armee gegen Extremismus und Rassismus agiere, welche präventiven Massnahmen sie treffe und wo die Probleme lägen.
Die Rekruten seien bei ihrem Eintritt in die Armee bereits 20 Jahre alt, so Brunschwig Graf weiter. Mit Blick auf die Prävention gegen Rassismus sei es deshalb auch wichtig, was vor dem Beginn der Rekrutenschule geschehe und wie man langfristig präventiv handeln könne.