Nebelspalter.
Morde, Antisemitismus, Rassismus: In Deutschland wird die türkisch-rechtsextremistische Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet. In Frankreich ist sie seit kurzem verboten, hierzulande sind die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt.
Der graue Wolf ist ihr Emblem, sie hetzen gegen Juden und verbreiten offen rechtsextremistisches Gedankengut. Fast 700 Morde gingen alleine in den 1970er-Jahren auf das Konto der türkischen «Ülkücül-Bewegung» («Ülkücüler»: Idealisten). Zu ihren Feindbildern gehören neben Juden auch Armenier, Israelis, Griechen, Kurden sowie Homosexuelle.
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung ist sie die grösste rechtsextremistische Vereinigung in Deutschland: Dort stehen die Extremisten seit Jahrzehnten unter Beobachtung des Verfassungsschutzes: 1978 tauchen sie erstmals in einem Bericht auf. Derzeit wird in Deutschland und in den USA über ein Verbot der Bewegung diskutiert, in Frankreich ist dies bereits der Fall. Auch SVP-Nationalrätin Monika Rüegger (OW) forderte in einer Interpellation ein Verbot der «Grauen Wölfe» in der Schweiz.
Bundesrat: Kein Verbot
Der Bundesrat verurteile terroristische und gewalttätig-extremistische Aktivitäten jeglicher Herkunft und Form, antwortet die Landesregierung der SVP-Parlamentarierin. Es liege in der Zuständigkeit des Nachrichtendienst des Bundes (NDB), die Situation im Bereich des Terrorismus und des gewalttätigen Extremismus laufend zu beurteilen sowie vorgesehene Präventivmassnahmen anzuwenden.
Die Voraussetzungen für ein Verbot der Grauen Wölfe seien derzeit nicht gegeben: Ein terroristischer oder gewalttätig-extremistischer Bezug liege nicht vor. Auch eine «davon ausgehende Bedrohung für die innere und äussere Sicherheit» sei nicht vorhanden. Der Bundesrat könne die Organisation folglich nicht verbieten. Der NDB verweist auf Nachfrage ebenfalls auf die Antwort des Bundesrates. Zudem äussere sich der NDB weder zu Gruppierungen noch zu politischen Fragen, lässt er den «Nebelspalter» wissen.
Der Traum vom türkischen Grossreich
Die Anhänger der «Ülkücül-Bewegung» pflegen ein autoritäres Staatsverständnis und sehen Türken als ein «höherwertiges» Volk an, das über anderen Ethnien stehe. Der fundamentale Unterschied zum deutschen Rechtsextremismus besteht gemäss dem deutschen Verfassungsschutz darin, dass viele türkische Rechtsextremisten eine starke Rolle des Islams befürworten, sowie nicht das deutsche Volk im Fokus steht, sondern das türkische.
Die religiöse Einstellung werde häufiger als bei anderen rechtsextremistischen Ströumgen als Kernbestand der eigenen Identität verstanden. Einige Anhänger der Bewegung streben die Wiederherstellung des osmanischen Reiches als Bewahrer des islamischen Glaubens an, andere gar ein eigenes Reich: Turan. Jenes soll sich als riesiges Gebiet über die heutige Türkei bis auf den Balkan erstrecken. Der selbstgewählte Schlachtruf dazu lautet: «Hedef Turan – Das Ziel ist Turan!»
Starke Social Media Präsenz
Auf den sozialen Medien findet man unzählige Einträge der extremistischen Bewegung. Sie reichen von plumper Kampf-Rhetorik bis hin zur Denunzierung von politischen «Gegnern» und Aufrufen zur Gewalt. Kein neues Phänomen: Dem aktuellen Sicherheitsbericht des NDB ist zu entnehmen, dass rechtsextreme Gruppierungen in den sozialen Medien eine «ungewöhnlich provokante Strategie öffentlicher Kommunikation» verfolgen: Auf öffentlich zugänglichen Profilen würden immer häufiger Propagandavideos und Fotografien von Ereignissen gepostet.
Kritik auch von links
PDA-Nationalrat Denis de la Reussille (NE) versuchte bereits letztes Jahr, den Bundesrat zu einem Verbot der «Grauen Wölfe» zu bewegen. Ebenfalls erfolglos. In einer Interpellation warnt er vor der Gruppierung: Diese sei in der Schweiz durch Angriffe auf kurdische Demonstrantinnen und Demonstranten sowie durch Drohungen im Kontext von Bestrebungen für die Anerkennung des Völkermordes am armenischen Volk in Erscheinung getreten. Die Gruppierung würde zudem offen Druck auf geflüchtete Regierungsgegnerinnen und -gegner aus der Türkei in der EU und in der Schweiz ausüben. Reussille befürchtet weitere gewalttätige Aktionen dieser Terrorgruppierung. Der Bund teilt diese Sorgen offenbar nicht.
Monika Rüegger und Denis de la Reussille waren auf schriftliche Nachfrage nicht erreichbar.