Schweiz am Sonntag: Skandal um Komiker Dieudonné erreicht auch die Schweizer Armee
Bis jetzt wurde die Debatte um die Grenzen des Humors, die der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät ungewollt losgetreten hatte, noch belächelt. «Ich befürchte, die dröge Wer-darf-welche-Witze-Debatte wird die Schweiz noch bis Ostern langweilen», twitterte der Satiriker Viktor Giacobbo.
Doch nun stellt der bevorstehende Auftritt des umstrittenen französischen Komikers Dieudonné M’Bala M’Bala die Schweizer Politik vor ein Problem. Der Gemeinderat von Nyon will morgen entscheiden, ob er sechs geplante Shows Dieudonnés in einer gemeindeeigenen Lokalität untersagen soll. In Frankreich sprachen die Gerichte zuletzt in mehreren Städten Auftrittsverbote gegen ihn aus, nachdem Innenminister Manuel Valls sie dazu aufgefordert hatte. Der Kulturbeauftragte von Nyon, Olivier Mayor, sagt: «Wenn wir nun der einzige Ort sind, an dem dieser Herr auftreten darf, müssen wir die Lage überdenken.»
Der Komiker, Sohn eines Kameruners und einer Bretonin, fällt seit Jahren mit antisemitischen Ausfällen auf. Juden nennt er «die grossen Gauner dieses Planeten». An Auftritten holte er schon Personen wie den Holocaustleugner Robert Faurisson auf die Bühne, der als KZ-Häftling gekleidet auftrat. Bei vielen jungen Leuten ist er nach Ansicht von Soziologen beliebt, weil sie seinen Humor als subversive Systemkritik schätzen, die sich gegen die «Eliten» richte.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) blickt mit Sorge auf die geplanten Auftritte des Franzosen in der Schweiz. «Dieudonnés antisemitische und abscheuliche Aussagen gehen massiv darüber hinaus, was sich ein Komiker erlauben darf», sagt Vizepräsidentin Sabine Simkhovitch-Dreyfus.
Der rechtliche Spielraum für den Gemeinderat von Nyon ist indes begrenzt. Das Bundesgericht entschied 2010, die Stadt Genf habe das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt, indem sie sich geweigert habe, Dieudonné ein stadteigenes Theater zu vermieten. Das weiss Simkhovitch-Dreyfus. Sie sagt aber: «Wir erwarten, dass sich die Behörden von Dieudonné distanzieren und die nötigen Massnahmen zur Wahrung der Ordnung treffen.» Falls es zu einem Auftritt komme, werde man Anzeige erstatten, wenn der Komiker gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verstosse.
Auch die Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martine Brunschwig Graf, verfolgt die Entwicklung des Falls. Sie sagt: «Sollte Dieudonné bei seinem Auftritt gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verstossen, erwarte ich, dass die Justiz das mit aller Macht verfolgt.»
Seine Wirkung in der Schweiz hat der Komiker schon jetzt entfacht. Auf Westschweizer Blogs kursieren Fotos, die Schweizer Soldaten dabei zeigen, wie sie die «Quenelle» ausführen. So nennt sich die mittlerweile als «verkappter Hitlergruss» bezeichnete Armbewegung, die Dieudonné unter seinen Anhängern populär gemacht hat. Das Verteidigungsdepartement schreibt dazu auf Anfrage: «Der Chef der Armee hat die Kompagniekommandanten und Ausbildungsverantwortlichen bezüglich dieser Geste sensibilisiert.» Mit den ihr bekannten Fällen verfahre sie nun «gemäss den internen Reglementen».