Infosperber. Denis Kapustin, einer der einflussreichsten Akteure der rechtsextremen Kampfsportszene, darf nicht mehr in die Schweiz einreisen.
«Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung»: Aus diesem Grund darf der russische Hooligan, Neonazi und Kampfsportler Denis Kapustin, der sich selber Denis Nikitin nennt, nicht mehr in den Schengenraum – und damit auch nicht mehr in die Schweiz – einreisen. Kapustin besuchte die Schweiz in der Vergangenheit mehrmals. Er wurde zum Beispiel von der «Partei national orientierter Schweizer» (PNOS) engagiert, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von entsprechenden Kursen in Selbstverteidigung zu schulen.
Denis Kapustin gilt als einer der einflussreichsten Akteure der rechtsextremen Kampfsport- und Hooliganszene. Er organisiert in ganz Europa rechte Kampfsportevents, ausserdem ist er Gründer des Neonazi-Netzwerks «White Rex».
Ungewöhnlicher Schritt der Behörden
Gemäss Recherchen von «NDR», «WDR» und «Süddeutscher Zeitung» wurde Kapustin in Moskau geboren, wuchs aber in Köln auf. Er besitzt keine deutsche Staatsbürgerschaft, sondern ausschliesslich die russische Staatszugehörigkeit. Am 22. Februar sei Kapustin zunächst von Amtes wegen in Köln abgemeldet worden, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Demnach habe sich Kapustin bereits längere Zeit nicht mehr in seiner Wohnung in Köln-Chorweiler aufgehalten und sei ins Ausland verzogen. Im Mai sei dann die Erlöschung der Niederlassungserlaubnis erfolgt, weswegen der rechtsextreme Kampfsportler keinen aufenthaltsrechtlichen Status mehr besass.
Daraufhin verhängten die nordrheinwestfälischen Behörden ein Einreiseverbot, das für den gesamten Schengenraum gilt. Die Begründung «Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung» ist nicht alltäglich: Eigentlich wird hauptsächlich Straftätern die Wiedereinreise verwehrt. Es gibt nur selten Fälle, bei denen eine Person nicht mehr einreisen darf, weil sie als Verfassungsfeind gilt oder von ihr eine Gefahr ausgeht.
78 Einreiseverbote mit Terrorbezug im Jahr 2018
In der Schweiz wurden gemäss dem Bundesamt für Polizei (fedpol) im Jahr 2018 106 Einreiseverbote ausgesprochen, davon hatten 78 einen Terrorbezug. Gegenüber «Infosperber» erklärt die Behörde: «Wird gegen eine Person ein Einreiseverbot für den Schengen-Raum erlassen, wird dieses im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben. Auf diese Informationen haben alle Polizeien der Schengen-Mitgliedstaaten – also auch die Schweizer Polizei – Zugriff. Wird eine mit einem Einreiseverbot belegte Person angehalten, wird sie verhaftet und in ihr Herkunftsland zurückgeschafft.»
Bei einer rechtswidrigen Einreise drohen eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Die Strafe wird von Fall zu Fall von der zuständigen Staatsanwaltschaft festgelegt.
Ein Schlag für die rechtsradikale Szene
Die rechtsradikale Szene hat die Vollkontakt-Kampfsportart «Mixed Martial Arts» (MMA), die viele verschiedene Techniken vereint und als der wohl härteste Kampfsport der Welt gilt, bereits vor einiger Zeit für sich entdeckt. Seitdem hat die Anzahl von Turnieren, Events und Schulungskursen, die von rechtsradikalen Akteuren organisiert werden, stark zugenommen. So ist ein internationales Netzwerk aus durchtrainierten Hooligans, Rassisten und Neonazis entstanden.
Denis Kapustin gilt als einflussreichster Akteur dieser Szene. Er organisierte und unterstützte in der Vergangenheit entsprechende Kampfsportveranstaltungen in ganz Europa, nahm als Kämpfer selber daran teil und ist gern gesehener Instruktor bei Selbstverteidigungskursen der rechtsradikalen Szene. Wie das nordrhein-westfälische Innenministerium gegenüber dem «Spiegel» sagte, habe Kapustin massgeblich dazu beigetragen, die Neonazi-Kampfsportszene zu professionalisieren. Er sei als einer der einflussreichsten Aktivisten zu bewerten.
Kapustin vermittelt in seinen Events und Kursen nicht einfach bloss Kampfsporttechniken, vielmehr bedient er sich einer Widerstands- und Bürgerkriegsrhetorik, will die rechtsradikale Szene, die «weissen Völker Europas», für einen Umsturz rüsten und sie auf gewaltsame Auseinandersetzungen mit ihren Feinden vorbereiten. Dazu gründete er 2008 die Marke «White Rex», die eine rechte Erlebniswelt propagiert und zum Beispiel Kleidung mit Nazisymbolik und Sportnahrung vertreibt. Im Übrigen investiert «White Rex» in Turniere, Events und in Fitnessstudios. Kapustin will die Wehrhaftigkeit und die Gesundheit seiner Zielgruppe fördern. Sein Ziel formulierte er Anfang 2017 in einem Interview: «Meine Aufgabe ist global, ich muss alle Lebensbereiche eines modernen Menschen abdecken.» Und am Schluss des Gesprächs: «Entwickelt euch weiter, habt Erfolg! Sieg Heil!»
Gute internationale Verbindungen
Denis «Nikitin» Kapustin gilt Szenekennern als Anführer einer Gruppe russischer Hooligans, die an der Fussball-Europameisterschaft 2016 in Marseille wüteten, Jagd auf englische Fussballfans machten und einige davon schwer verletzten. In Kapustins Leben gibt es viele Ungereimtheiten: Gemäss «Spiegel»-Informationen gibt er bei Kampfsportveranstaltungen ein falsches Alter an, ausserdem soll Kapustin 2001 mit seiner Familie als jüdischer Kontingentsflüchtling von Russland nach Deutschland eingereist sein. Und obwohl Kapustin einen asketischen Lebensstil predigt, wurde er im vergangenen Oktober in der Ukraine wegen des Verdachts der Herstellung von Amphetaminen festgenommen.
Trotz dieser Widersprüchlichkeiten etabliert sich «White Rex» weiter in der rechtsradikalen Szene. So unterhält Kapustin auch international beste Verbindungen. Unter anderem nach Russland und in die Ukraine, wo er sich oft aufhalten soll. Weitere bekannte Verbindungen reichen nach Ungarn, Griechenland, Spanien und nach Grossbritannien, wo Kapustin im Sommer 2014 ein paramilitärisches Trainingslager für britische Neonazis durchgeführt haben soll. Auch Messer und Schusswaffen sollen dabei gemäss dem «Tagesanzeiger» verwendet worden sein.
In Deutschland ist Kapustin mehrfach an Kampfsportevents aufgetreten und unterhält Kontakte zur NPD. So auch zu Szenegrössen wie Thorsten Heise, über den «Infosperber» berichtete. Ausserdem unterstützte er Kölner Hooligans bei Strassenprügeleien. In Zusammenarbeit mit der italienischen faschistischen Bewegung «Casapound» organisierte «White Rex» 2013 zudem ein Kampfsportturnier in Italien.
Kapustin und die Schweiz
Da auch die Szene in der Schweiz über gute Verbindungen zu deutschen Neonazi-Kadern wie Thorsten Heise oder zur italienischen «Casapound» verfügt, erstaunt es kaum, dass Kapustin die Schweiz bereits mehrmals besuchte. So lud ihn zum Beispiel die PNOS mehrere Male zu Selbstverteidigungskursen ein. Zu den Kursteilnehmern gehörten auch Mitglieder des PNOS-eigenen Sicherheitsdienstes «Ahnensturm».
Aber die Verbindungen reichen tiefer. So werden die Artikel von «White Rex» in der Schweiz seit 2017 über die «Fighttex AG» mit Sitz in Lotzwil vertrieben. Als einziges Mitglied des Verwaltungsrates ist Florian Gerber gelistet. Gerber ist nicht nur Mitglied der PNOS, er amtet als deren Vizepräsident.
Eine andere Spur führt zu Silvan Gex-Collet, einem bekannten Walliser Neonazi, der selber über gute internationale Verbindungen verfügt (Infosperber berichtete) und aktuell den Sohn von Thorsten Heise beherbergt – der in Deutschland wegen schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung angeklagt ist. Gemäss einer «Whois»-Abfrage registrierte der Walliser Neonazi die Internetadressen «white-rex.at» und «white-rex.net» bereits im Mai 2016.
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Nachtrag:
Wie der «Tagesanzeiger» am 4. September berichtet, wurde die «Fighttex AG» unter anderem von Peter Patrik Roth, dem Spross einer Berner Unternehmerfamilie, gegründet. Roth ist Geschäftsleiter der Matratzenfirma Roviva Roth & Cie. Gemäss «Tagesanzeiger» kursiert im Internet ein Bild, das Roth zusammen mit Kapustin zeigt.