Neue Luzerner Zeitung vom 27.1.2010
Die Regierung hat entschieden: Eine Schlachtfeier gibts erst 2011 wieder. Das führte im Parlament zu heftigen Diskussionen.
Karin Winistörfer
Ein schlichter ökumenischer Gedenkgottesdienst ersetzt dieses Jahr die Sempacher Schlachtjahrzeit. Das hat die Luzerner Regierung entschieden. Diese «kreative Denkpause» sei nötig, um das Konzept der Veranstaltung grundlegend zu überprüfen und für 2011 gerüstet zu sein. Denn dann jährt sich die Schlacht zum 625. Mal, und dies soll würdig gefeiert werden. Wie, tüftelt nun eine Projektgruppe aus. Wann der Gottesdienst genau stattfindet, ist noch nicht festgelegt.
Kosten: 300 000 Franken
Der Anlass für die Denkpause: «Die Schlachtjahrzeit ist zunehmend von extremen politischen Gruppierungen für ihre eigenen Zwecke missbraucht worden», teilte die Regierung als Organisatorin gestern mit. Nicht das Gedenken an 1386 stand im Vordergrund. Hinzu kamen hohe Sicherheitskosten – 2009 rund 300 000 Franken. «Die Jahrzeit darf keine kostspielige Plattform für politisch extreme Gruppierungen mehr sein», so die Regierung.
Die Feier war gestern wegen einem hängigen Vorstoss von Albert Vitali (FDP, Oberkirch) Thema im Kantonsrat. Regierungspräsident Anton Schwingruber: «Die Regierung will am traditionellen Gedenkanlass festhalten. 2011 gibt es wieder eine würdige Feier. Diese wollen wir uns nicht vergraulen lassen, falls der Anlass 2010 eskalieren sollte.» In einem geschichtlichen Rückblick zeigte er auf, dass der Tag immer wieder anders begangen wurde – als arbeitsfreier Feiertag, als Gottesdienst in der Kirche oder als patriotische Feier.
Im Parlament löste dies eine engagierte Debatte aus. Albert Vitali betonte, die FDP wolle keine Verpolitisierung des Anlasses. «Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass Lösungsansätze fehlen.» Die Sempacherin Heidi Frey (CVP) sagte: «Unsere Gesellschaft kapituliert vor radikalen Gruppierungen.» Die Feier sei für Sempach «wichtig, damit sich die Leute mit dem Ort identifizieren können, an dem sie leben.» Ein Marschhalt sei akzeptabel, sofern für 2011 ein neues Konzept vorgelegt werde.
SP: «Anlass ist ziemlich verstaubt»
Als «Akt der Vernunft und der staatspolitischen Verantwortung» wertete Nino Froelicher (Grüne, Kriens) den Entscheid. Fraktionskollege Adrian Borgula (Luzern) meinte, in den letzten Jahren hätten sich Rechtsextreme als korrekt und gesetzestreu präsentiert – und der Kanton sei indirekt Mitorganisator einer rechtsextremen Kundgebung geworden. Erleichtert ist SP-Fraktionschefin Silvana Beeler (Luzern): «Wir sind froh um die kreative Denkpause.» Die SP führt diese auch auf die Juso zurück, die letztes Jahr mit ihrer bewilligten Demonstration «die stillschweigende Tolerierung von rechtsextremen Gruppierungen» politisch neu lanciert habe. Daniela Kiener (SP, Kriens) fügte an: «Der Anlass ist ziemlich verstaubt. Es braucht ein neues Konzept.»
Kritik hagelte es von der SVP. «Die Linken haben gewonnen. Man hat die letzte patriotische Feier im Kanton gebodigt», so Guido Luternauer (Schenkon), der nicht von Rechtsextremen, sondern von «jungen Eidgenossen» sprach. Guido Müller (Honau) sagte, 2009 seien «kriegsähnliche Zustände» ums Städtli entstanden, wegen der Linken. «Sie wollen provozieren, randalieren, demolieren.»
Die Voten ändern am Entscheid nichts: Die Regierung ist als Organisatorin für die Feier zuständig.
«Unsere Gesellschaft kapituliert vor radikalen Gruppierungen.»
Heidi Frey, CVP, Sempach
Express:
Ein schlichter Gottesdienst ersetzt dieses Jahr die Schlachtfeier Sempach.
2011 findet dann ein grosser Anlass zum 625-Jahr-Jubiläum der Schlacht statt.
Sempach
Eine eigene Feier?
Der Stadtrat von Sempach bedauert, dass die Schlachtfeier 2010 entfällt. Stadtpräsident Franz Schwegler sagte auf Anfrage: «Die Feier ist für Sempach ein wichtiger, historischer Anlass, der die Identität der Bevölkerung stärkt. Die Regierung entschied ohne unsere Mitwirkung. Wir wünschen, in die Planung der Feier 2011 einbezogen zu werden.»
Der Hellebardenlauf, die Serenade Kirchbühl und das Städtlifest finden auch dieses Jahr statt: am 26. Juni. Eine Arbeitsgruppe prüft nun, ob ein lokaler, besinnlicher Anlass durchgeführt werden soll. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass an diesem auch politische Gruppen aufkreuzen», sagt Schwegler. Wichtig sei auch, zu überlegen, was am Gedenktag auf dem Schlachtfeld geschieht. «Überlässt man es den extremen Polen, lassen diese die Gelegenheit kaum ungenutzt verstreichen.»