Bund
BIEL / Tritt er nun vom Amt des Parteipräsidenten zurück? Oder doch nicht? Der Bieler Polizeidirektor Jürg Scherrer (fps) gibt sich weiterhin bedeckt. Derweil formiert sich immer breiterer Widerstand gegen den umstrittenen Gemeinderat.
sms. Als «ausserordentlich problematisch» bezeichnete der Bieler Gemeinderat vor Wochenfrist in einer Medienmitteilung die Doppelfunktion von Jürg Scherrer als städtischer Polizeidirektor und Präsident der Freiheits-Partei Schweiz (FPS). Der Hintergrund: Scherrer hatte einige Tage zuvor in einem Radiointerview die Gaskammern der Nazis als «Detail der Geschichte» bezeichnet. Diese Äusserungen hatten im ganzen Land heftige Reaktionen von Politikern, Organisationen und Medien hervorgerufen. In einer Aussprache gelang es Scherrer, den Gemeinderat zu überzeugen, dass er sich missverständlich ausgedrückt hatte und den Holocaust in keiner Weise verharmlosen wollte (vgl. «Bund» vom 4.Mai). Der Gemeinderat gab sich damit aber nicht zufrieden und liess sich von Scherrer versichern, dass dieser die Problematik der Doppelfunktion als lokaler und nationaler Politiker «in den nächsten Monaten einer Lösung zuführen werde». Damit verfolgte die Stadtregierung die Absicht, Scherrer von der Bühne der nationalen Politik, wo er mit umstrittenen Äusserungen immer wieder für Wirbel sorgt, wegzudrängen.
Was ist eine Lösung?
Bleibt die Frage, was eine «Lösung» ist. Während die «Berner Zeitung» Jürg Scherrers Rücktritt als FPS-Präsident ankündigte, erfolgte in der «Sonntagszeitung» umgehend das Dementi. «Ich habe dem Gemeinderat nie meinen Rücktritt als FPS-Präsident zugesichert», liess sich Scherrer zitieren. Und Stadtpräsident Hans Stöckli (sp) ebenda: «Für mich heisst ,einer Lösung zuführen, dass Herr Scherrer als FPS-Präsident zurücktreten wird.» Womit die Verwirrung um das Wort «Lösung» ebenso gross wurde wie jene um den Begriff «Detail». Somit bleibt der Öffentlichkeit nichts anderes übrig als abzuwarten, welche Lösung Scherrer findet und ob diese den Gemeinderat befriedigt. Zur Sache selber wollte sich der Polizeidirektor nicht mehr äussern: «Alle journalistischen Interpretationen sind falsch.» Es könne nicht sein, dass irgendjemand der Partei vorschreibe, was sie zu tun habe. Hans Stöckli seinerseits sagte gestern, für den Gemeinderat sei wichtig, dass sich Scherrer in Fragen nationaler Politik zurücknehme. Dass auch der Rücktritt vom Parteipräsidium dies nicht garantieren könne, sei man sich aber bewusst.
Manifest mit Prominenten
Dass Jürg Scherrer mit seinen Äusserungen immer wieder das Image der Stadt Biel prägt, ist nicht nur dem Gemeinderat sauer aufgestossen. Nun hat sich, angeführt von den Gewerkschaften, eine Gegenbewegung gebildet, die am 23.Mai in Biel «für die Völkerverständigung und für ein weltoffenes Biel» demonstrieren und Scherrers Rücktritt fordern will. Ein «Manifest» wurde von Prominenten wie dem Ehrenpräsidenten der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, Sigi Feigel, dem Publizisten Frank A. Meyer oder den Schriftstellern Jörg Steiner und Peter Bichsel unterzeichnet. Ebenfalls dabei sind eine Reihe von linken und grünen Stadt- und Grossräten. Die grossen Stadtratsparteien, SP und Freisinn, wollen diesbezüglich ihre gemeinsame Strategie noch definieren.