Sonntagszeitung.
Der Ton der Massnahmengegner verschärft sich. Neu wird eine Anleitung für den bewaffneten Widerstand aus dem Kalten Krieg herumgereicht.
In den Kanälen der Impfgegner kursiert sie wieder, die Fibel «Der totale Widerstand», ein Relikt des Kalten Kriegs, eine Anleitung für bewaffnete Widerstandsgruppen, geschrieben von Major Hans von Dach. Die digitale Version dieser «Terror-Rezepte» (NZZ) tauchte kurz nach der Abstimmung vom 28. November über das Covid-Gesetz im Messenger-Dienst Telegram auf. Dazu kamen Aufforderungen wie «Macht aus diesem Staat Gurkensalat» oder «Bildet kleine Gruppen mit maximal 15 Leuten und fangt an, effektiv aufzuräumen».
Auch wenn der grösste Teil der Massnahmengegner friedlich ist, lässt der zunehmend raue Ton vereinzelter Scharfmacher aufhorchen. Schon vor der Abstimmung meinte Daniel Stricker, Betreiber eines Youtube-Kanals mit mehr als 25’000 Abonnenten, dass er «Bürgerkrieg» besser finde als einen «20- oder 30-jährigen Hygiene-Faschismus». Auf seinem Internetsender KLA.tv behauptet der Laienprediger Ivo Sasek, dass «weltweite Bürgerkriege» noch nie näher gewesen seien als jetzt – Geimpfte gegen Ungeimpfte und umgekehrt. Und auf einem Schweizer Telegram-Kanal wird zu einem Streik wegen der vom Bundesrat verschärften Corona-Massnahmen aufgerufen: «Hilft das nichts, dann Bürgerkrieg. Patrioten, steht endlich auf, bitte.»
Zu diesen unheimlichen Patrioten gehört zum Beispiel der Berner Yves Sandro Berger. Auf Telegram ruft er zum zivilen Ungehorsam auf und faselt von Widerstand und Revolution. Vor Jahren war er ein erfolgloser Nationalratskandidat der Schweizer Demokraten. In diesem Sommer forderte er, dass auf dem Bundesplatz eine Guillotine aufgestellt werde. Man solle «nicht ruhen, bis ein jeder Politiker, Staatssöldner und Massnahmenbefürworter sowie jeder Mediziner, der die C-Viruslüge aufrechterhält, Gerechtigkeit erfahren hat». Es entstehen auch immer wieder neue Gruppen wie die «Männer WG», die kürzlich an einer Demonstration in Zürich in Erscheinung getreten ist.
Ein Teil der Massnahmengegner befürwortet Gewalt
Am extremen Rand der Impfgegner scheint gerade ein weiterer Radikalisierungsschub stattzufinden. Und was tun die Sicherheitsbehörden? «Die sozialen Medien werden nicht aktiv von der Bundeskriminalpolizei beobachtet», schreibt das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage. Bei Drohungen, die den Behörden gemeldet würden, liege der Fokus auf dem Schutz von Bundespolitikerinnen und -politikern. «Falls eine Drohung strafrechtlich relevant ist, gibt es präventive Möglichkeiten wie einen Grenzziehungsbrief oder eine Gefährderansprache.» Wenn ein Straftatbestand wie Nötigung oder Morddrohung erfüllt sei, könne ein Verfahren eröffnet werden, erklärt das Fedpol weiter. «Nur wenn eine Straftat gemeldet wird und ein Strafverfahren eröffnet ist, ermitteln wir.»
Etwas anders sieht es beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) aus. Die Massnahmenkritiker fallen grundsätzlich nicht in die Zuständigkeit des Nachrichtendiensts, betont Sprecherin Isabelle Graber. Zuständig sei man ausschliesslich für den gewalttätigen Teil der Bewegung. «Der NDB stellt derzeit fest, dass ein Teil der Massnahmengegner Gewalttaten befürwortet, fördert oder ausübt.» Im Zusammenhang mit den Protesten seien es aber nicht nur Corona-Extremisten, die demonstrierten und Gewalttaten verübten. Auch gewalttätige Links- und Rechtsextremisten versuchten, ihre Botschaften bezüglich der Massnahmen zu platzieren. «Diese drei Szenen stehen sich insbesondere bei Demonstrationen immer häufiger gegenüber», heisst es beim NDB.
Der Tag der Abrechnung
Rechtsradikale Impfgegner sprechen untereinander vom «Tag der Abrechnung» und dass nun Pläne geschmiedet würden, wie man kleine Gruppen mit Waffen und verschlüsselten Kommunikationsmitteln vernetzen könne. Ob sie sich dabei auch auf die «Terror-Fibel» aus dem Kalten Krieg stützen, ist nicht bekannt. Lange Zeit war das Buch «Der totale Widerstand» bei Linksextremisten und Anarchisten in Mode, doch irgendwann fanden es selbst die Terroristen der Rote-Armee-Fraktion (RAF) veraltet. Tatsächlich ist in dem 1957 veröffentlichten Standardwerk eine Anleitung enthalten, wie man Dampflokomotiven mit Sprengladungen sabotiert.