Waston. Dem Chef-Provokateur der jungen SVP wird vorgeworfen, Rechtsextremen etwas zu nah zu sein und nationalistische Themen zu bedienen. Davon will David Trachsel nichts wissen – doch seine Kritiker werden lauter.
Überschneidungen zwischen der SVP und Rechtsextremen kommen immer wieder vor. Doch zu Ausschlüssen aus der Partei kommt es selten und nur, wenn die Öffentlichkeit sich wehrt. Beispiele dafür gibt es in der jüngsten Vergangenheit einige.
Wie beim Nazi-Sympathisanten und St.Galler SVP-Kantonsratskandidaten Marcel Toeltl. Oder bei der verurteilten Tessiner Holocaustleugnerin und SVP-Kandidatin Jessica Tami, die einem Parteiausschluss mit ihrem Rücktritt zuvorkam. Dasselbe machte Putin-Versteher und JSVP-Mitglied Wilhelm Wyss.
Gar nichts passierte jedoch beim ehemaligen Schwyzer SVP-Regierungsrat René Bünter, welcher die Bundesräte an einer Corona-Demo als «Verbrecher» betitelte. Oder beim Präsident der Jungen SVP, David Trachsel, welcher dem Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger diktatorisches Gehabe vorwarf. Die SVP-Leitung sagte in diesen Fällen lediglich, dass diese Aussagen «nicht der Parteihaltung entsprechen».
Extremer Kurs der JSVP
David Trachsel provoziert mit seinen Aussagen. Aber mit dem extremen Kurs des JSVP-Präsidenten sind nicht alle zufrieden, wie ein kürzliches Misstrauensvotum in seiner Partei zeigte. Auch Präsidiumsmitglieder von kantonalen Sektionen der JSVP sprachen auf Anfrage von watson ihren Unmut über Trachsel und seinen Kurs aus.
«Ich finde es erschreckend, in welchem Umfeld er sich bewegt: in extrem konservativen bis hin zu rechtsextremen Kreisen», sagt eine bei der JSVP aktive Person zu watson, die anonym bleiben möchte. «Er lässt sich fotografieren mit Menschen, die illegale und gewalttätige Demonstrationen anführen», sagt diese Person weiter. Und: «Trachsel muss bewusst mit solchen Menschen in Kontakt getreten sein, sonst würden sie nicht an dieselben Veranstaltungen gehen.»
David Trachsel ist nicht nur JSVP-Präsident, sondern war bis vor Kurzem auch für die SVP im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt – aufgrund eines Umzugs in den Aargau gab er das Mandat per 1. April ab. Auf Anfrage von watson möchte kein SVP-Mitglied aus dem Basler Parlament mit vollem Namen etwas zu Trachsel sagen. Anonym sieht es anders aus.
Sie zeichnen ein Bild eines «arbeitsscheuen, unvorbereiteten Politikers ohne Einfluss». Er habe während seiner Zeit in Basel auch für Mitgliederaustritte gesorgt. Und: «Viele der fragwürdigen Mitglieder bei den Jungen, die er gewinnen konnte, haben die Partei kurz darauf wieder verlassen – etwa nach der Corona-Pandemie.»
Nicht wenige in Basel vermuten, dass hinter seinem Umzug in den Aargau mehr steckt als private Gründe. «Kantonalpräsident ist dort Andreas Glarner. Unter seiner Führung hat Trachsel langfristig bessere Aufstiegschancen als in Basel-Stadt.»
Trotz dieses Unmuts von Mitgliedern der Mutterpartei und der Jungpartei wurde David Trachsel im Februar an der Delegiertenversammlung der JSVP als Präsident bestätigt. Sein politischer Kurs wurde mit 49 zu neun Stimmen unterstützt.
Unterwegs mit Nationalisten
Um David Trachsel und seine Politik zu verstehen, muss man wissen, wie seine Anhänger denken. Das lässt sich am Beispiel des Putin-Verstehers Wilhelm Wyss aufzeigen, dem ein Tweet zum Verhängnis wurde.
Als ebendieser jene Zeilen schrieb, muss er irgendwo zwischen malerischen Hügeln und unberührten Blumenwiesen unterwegs gewesen sein – wie man seinen Heimatkanton, das Baselland, kennt:
«Donezk, Lugansk, Cherson und Saporoschje sind endlich wieder mit Russland vereinigt! (…) Ein Hoch auf Russland, ein Hoch auf den Präsidenten.»
Worte, die sich einfacher schreiben lassen, wenn man sich in idyllisch-schweizerischer Sicherheit wähnt, als wenn man selbst an der Front steht. Und es waren Worte, die Konsequenzen nach sich zogen.
Wyss musste danach aus seiner Partei austreten – der SVP. Mutterpartei und Jungpartei distanzierten sich von den prorussischen Aussagen. Doch zum endgültigen Bruch kam es nicht. Denn Putin-Verehrer Wyss kennt David Trachsel gut. In den sozialen Medien posieren sie gemeinsam lächelnd auf Fotos von Versammlungen und SVP-Anlässen.
Nur schon auf der öffentlichen Instagram-Seite von Wyss finden sich dutzende Story-Beiträge, in denen er für den JSVP-Chef Werbung macht, dessen Parolen transportiert und ihm zu seinen «genialen Reden» beglückwünscht. Und David Trachsel selbst? Er folgt dem Putin-Verehrer auf Instagram und likt seine Beiträge.
Wyss zeigt sich nicht nur mit dem JSVP-Chef auf der Plattform. Sondern auch an Delegiertenversammlungen der JSVP zusammen mit Personen, die sich in ihren öffentlichen Profilen als Nationalisten und Antisemiten bezeichnen.
Eine JSVP-Tagung, um nationalistisches Gedankengut zu besprechen? Tönt weit hergeholt. David Trachsler wird später, darauf angesprochen, zu watson sagen: «Wenn man keine gescheiten Argumente zu bieten hat, holt man eben die Nazi-Keule hervor.»
Netzwerk der jungen Rechten
Doch in diese Richtung geht der Vorwurf, der von verschiedenen, vorwiegend von der linken Seite immer wieder ertönt. «Trachsel ist eine problematische Figur und hat sich seit Corona massiv radikalisiert», sagt Juso-Präsident und SP-Präsidiumsmitglied Nicola Siegrist über den JSVP-Chef.
Siegrist kritisiert, dass Trachsel aktiv die «Flanken weit rechts aussen bespielt, um sich als SVP deren Gunst zu sichern».
Über David Trachsel und sein «Netzwerk der jungen Rechten» schreibt die Internetseite Antifa, eine Bewegung von Linken bis Linksextremen: «Sie wollen nationalistische und religiös-konservative Diskurse in die Mitte der Gesellschaft tragen. Alle kommen aus einem streng katholischen Milieu und sind getrieben von einem Abscheu auf die Moderne.»
Nun ist die antifaschistische Bewegung (Antifa) sicherlich daran interessiert, rechte Kreise in Verruf zu bringen und notfalls die «Nazi-Keule» zu schlagen, wie es Trachsel selbst sagt. Doch wie viel ist an den Vorwürfen dran?
Die zwei Vorwürfe im Faktencheck
Gemäss diesen Anschuldigungen soll Trachsel religiös-konservative Themen bedienen. Als ein «bekennender Christ mit konservativer Prägung» wurde er einst von der NZZ beschrieben. Ein Grund dafür ist, dass sich der JSVP-Präsident für zwei Volksinitiativen engagiert, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einschränken wollen. Dafür macht er sogar SVP-intern Werbung und konnte zwei Nationalrätinnen dazu bewegen, Unterschriften zu sammeln. Gegenüber der Aargauer Zeitung wollte Trachsel aber nicht sagen, wer die Initiative lanciert hatte. Er sei zu «keiner Auskunft verpflichtet».
Wie Recherchen zeigen, steckt dahinter ein Verein, der Abtreibungen als eine «menschenunwürdige Handlung» und ein «Gräuel» bezeichnet. Es liegt deshalb nahe, dass es den Urhebern grundsätzlich darum geht, ihre radikale Gesinnung zu vernebeln – mithilfe von SVP-Persönlichkeiten als Aushängeschilder. Und David Trachsel spielt mit.
Auch der zweite Vorwurf, nationalistische Diskurse zu fördern, kommt nicht von ungefähr. Es ist bekannt, dass nicht wenige JSVP-Mitglieder entweder eine Vergangenheit bei rechtsextremen Gruppierungen haben oder persönlich befreundet sind mit Akteuren der Szene – wie etwa der Jungen Tat. Unternommen wird in der Parteileitung deswegen wenig bis gar nichts.
Ausser: Es gibt einen öffentlichen Aufschrei wie beim Fall des Putin-Verehrers Wyss. Doch sonst gewährt ihnen David Trachsel freie Hand. Politisch bei der Jungpartei aktiv zu sein und sich gleichzeitig in rechtsextremen Kreisen zu bewegen, scheint bei der JSVP salonfähig zu sein. «Linksextreme Haltungen werden je länger desto salonfähiger gemacht. Darum braucht es eine Stärkung der SVP, um das zu korrigieren», sagt dazu der JSVP-Chef.
Dass sich Rechtsextreme unter den grossen Schweizer Parteien bei der SVP am wohlsten fühlen, liegt auf der Hand. Während sich die Mutterpartei aber in vielen Themen zurückhält, holt die Jungpartei die Radikalen genau dort ab – wie das Beispiel der «Friedensdemo» in Bern zeigt.
Die Mutterpartei schenkte dem Anlass keine Beachtung, einzig Andreas Glarner, SVP-Hardliner und Nationalrat, war als Redner vor Ort. Die Junge SVP unterstützte die Demo aber offiziell und verteilte Flyer dazu.
David Trachsel entschied sich sogar, spontan eine Rede vor seinen Gleichgesinnten zu halten. Den Demonstrierenden rief er zu, dass «Politiker und Medien nur noch Schwachsinn» erzählen würden. Rhetorisch fragte er die Runde, was man in diesem Fall machen müsse. Und antwortete dann gleich selbst: «Man muss anfangen, selbst zu denken. Könnt ihr noch selbst denken?»
Dafür erhielt er Applaus von allen Seiten – von rechts bis ganz rechts aussen. Harus-Rufe werden nach der Demo für Gesprächsstoff sorgen – ein rechtsextremer Akt, der vergleichbar ist mit dem Hitlergruss.
Zu rechts ist «suboptimal»
Und was sagt David Trachsel selbst zu all diesen Vorwürfen? «Nun. Die Linken merken eben, dass junge Bürgerliche mit ihren Aktionen Erfolg haben. Das verkraften die Linken natürlich nicht und werfen deshalb mit viel Dreck um sich, um das zu verhindern. Wir lassen uns davon aber nicht beirren.»
Seine Nähe zu Verschwörungstheoretikern und Radikalen relativiert er. «Man weiss mittlerweile, dass Menschen, die während der Corona-Zeit als Verschwörungstheoretiker bezeichnet wurden, in vielen Punkten recht hatten. Sie wurden aber von den Medien stigmatisiert», sagt Trachsel.
Gleichzeitig verteidigt er das Parteiprogramm der JSVP und erklärt: «Alles was rechts oder links der SVP Politik geschieht, finde ich suboptimal bis sehr schlecht.»
Von eigenen Fehlern will Trachsel nichts wissen. Angesprochen auf seine Aussagen zu Lukas Engelberger meint er: «Mit dem was wir heute über das Versagen in der Corona-Politik wissen, wäre ich noch deutlicher und noch lauter.»