Der Bund. Am 9. Mai feiert Russland den Tag des Sieges über Nazideutschland. Jährlich findet auch in Basel ein Gedenkanlass statt – wegen des Ukraine-Kriegs diesmal unter grossen Sicherheitsvorkehrungen.
Jedes Jahr am 9. Mai pilgern Russinnen und Russen aus der ganzen Schweiz auf den Hörnli-Friedhof in Basel. Zusammen mit einer Vertretung der russischen Botschaft in der Schweiz gedenken sie der gefallenen sowjetischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg.
Dieses Jahr birgt der Gedenkanlass eine gewisse Brisanz. Das hat mit dem Angriffskrieg zu tun, den Russland seit über zwei Monaten in der Ukraine führt (siehe Box).
Auf dem Friedhof am Hörnli in Riehen – dem grössten Friedhof der Schweiz – liegen unbekannte Soldaten begraben. Es ist das einzige sowjetische Soldatengrab aus dem Zweiten Weltkrieg in der Schweiz. Unterhalten wird es heute von der russischen Botschaft. Jeweils am 9. Mai organisiert sie auf dem Friedhof einen Gedenkanlass, der an den Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland erinnern soll (mehr zum Anlass erfahren Sie in diesem Artikel).
Dieses Jahr steht die traditionelle Siegesfeier unter besonderer Beobachtung. Das hat mit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine zu tun. Und damit, dass sich Russinnen und Russen in aller Welt an Anlässen wie jenem in Basel eben nicht nur an einen Tag vor 77 Jahren erinnern, sondern durch ihre Teilnahme auch Unterstützung für den heutigen Herrscher im Kreml demonstrieren. Nachdem Deutschland im April wegen mehrerer Autokorsos von Putin-Sympathisanten weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte , wurde in Basel ein Aufmarsch von Kriegsbefürwortern auf dem Hörnli befürchtet.
Die Basler Regierung hat den Anlass trotzdem erlaubt – unter Auflagen. Nur eine kleine Gruppe Menschen rund um den russischen Botschafter war während der offiziellen Zeremonie am Montag zugelassen. (kom)
Entsprechend wurde am Montagmorgen der gesamte Friedhof am Hörnli abgesperrt. Vor allen Eingängen waren Polizeikräfte positioniert. Vom offiziellen Teil der Siegesfeier mit den Vertretern der russischen Botschaft sowie der russisch-orthodoxen Kirche wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Um kurz vor 10 Uhr war der Friedhof wieder für alle zugänglich. Auch Medienvertreter konnten sich im Innern der Anlage ein Bild der Lage machen.
Russische Rocker stehen vor dem Eingang
Vor verschiedenen Eingängen der grossen Friedhofsanlage hatten sich vor der Öffnung Russen versammelt. Auch warteten einige Personen, die die Farben der Ukraine trugen.
Eine Russin zeigte ein Video: ihr Grossvater, der am Grab seines Vaters steht. Nach 78 Jahren – er hatte seinen Vater nie kennen gelernt – habe er ihn gefunden, auf einem Friedhof in der Agglomeration Moskaus, erklärte sie. «Um seiner zu gedenken, bin ich hier und nicht wegen irgendwelcher politischen Sachen.»
An einem anderen Eingang standen sich Mitglieder der Nachtwölfe MC, die als nationalistisch und christlich-orthodox gelten, und eine Gruppe Polizisten gegenüber. Die Stimmung wirkte friedlich.
Als die Polizei abgezogen war, fanden sich die Mitglieder der Nachtwölfe MC am Soldatengrab ein – aber auch Menschen, die von sich sagten, dem sogenannten Unsterblichen Regiment anzugehören. Es handelt sich hierbei um eine russische Vereinigung von Familienangehörigen, die jeweils zum 9. Mai Erinnerungsaktionen organisieren. Viele Leute am sowjetischen Soldatengrab trugen denn auch Bilder von gefallenen Familienmitgliedern sowie Symbole der Bewegung mit sich. Im Verlauf des Vormittags kamen schätzungsweise knapp hundert Personen zum Grab.
Eine Anhängerin des Unsterblichen Regiments hielt eine kurze Ansprache auf Russisch: Sie begrüsste die versammelten Menschen aus den verschiedenen ehemaligen Sowjetrepubliken und sprach ein Gebet. Währenddessen legte ein Vertreter der kasachischen Botschaft einen Kranz auf das Grab.
Zwischen den Angehörigen des Unsterblichen Regiments und zwei Frauen, die sich als Sympathisantinnen der Ukraine zu erkennen gaben, gab es indes Spannungen. Eine Frau des Unsterblichen Regiments sagte zu Medienvertretern, der «Bürgerkrieg» in der Ukraine wäre schon längst vorbei, wenn Europa und Amerika sich nicht eingemischt hätten. Daraufhin fragte eine der Ukraine-Sympathisantinnen, wie sie das denn meine und was sie unter «Frieden» verstehe. Ein Mann intervenierte daraufhin und trennte die Frauen. Es sei ein Tag, um der Gefallenen zu gedenken, und nicht, um zu streiten, meinte er.
Die zwei Frauen, die in den ukrainischen Nationalfarben aufgetaucht sind, sind Schweizerinnen. Sie seien hier, um – so ihre Worte – «ein Zeichen zu setzen». Kurz vor 11 Uhr hat sich der Pulk vor dem Grab wieder aufgelöst.
Zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es indes nicht, wie Regierungssprecher Marco Greiner auf Anfrage schreibt. Die Regierung stehe nach wie vor hinter ihrem Entscheid, den Besuch des russischen Botschafters zuzulassen: «Für den Zutritt (in den Friedhof, Anm. d. Red.) besteht ein grundrechtlicher Anspruch, den wir nicht einfach verwehren können – auch wenn uns manchmal vielleicht die Umstände nicht passen.»