srf.ch: «Rocktoberfest» in Unterwasser (SG): Die Gemeinde habe nicht ein Neonazi-Konzert bewilligt, sondern sei vom Veranstalter hinters Licht geführt worden. Sie prüft rechtliche Schritte gegenüber der Person, die sich das Patent für diese Veranstaltung erschlichen habe, so der Gemeindepräsident Züllig.
Aktualisiert Heute, 5:41 Uhr
Bis zu 5000 Besucher sind am Samstagabend in die Event- und Tennishalle von Unterwasser, einem Ortsteil der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann geströmt. Unter den Namen «Rocktoberfest» traten in der Halle rechtsgerichtete Musikgruppen auf.
Der Anlass war von der Gemeinde bewilligt und die Veranstalter hielten sich an alle Auflagen, sagte Markus Rutz, Sprecher der Kantonspolizei St. Gallen, gegenüber SRF. Nach Angaben der Kantonspolizei und der Gemeindeverwaltung waren um die 5000 Personen zu dem Anlass gekommen. Über die Veranstaltung hatte zuvor die Organisation Antifa auf Twitter berichtet.
Keine besonderen Vorkommnisse
Ausser einigen Verkehrsbehinderungen durch den grossen Besucherstrom hat es laut der Kantonspolizei keine Vorkommnisse gegeben. Der Anlass sei wie vereinbart am Sonntag um 2 Uhr früh beendet worden. Die Polizei sei vor Ort, aber nicht in der Halle gewesen, erklärte Rutz.
Die Veranstaltung sei vorschriftsgemäss und aus polizeilicher Sicht problemlos und friedlich über die Bühne gegangen. Bis am Sonntagmittag sei nichts über mögliche Verstösse gegen die Rassismus-Strafnorm gemeldet worden. Die Kantonspolizei spricht nicht von Rechtsextremen oder Neonazis.
Nach Informationen der Antifa (Antifaschistische Aktion) sollen die Organisatoren aus dem Umfeld der internationalen Neonazi-Organisation «Blood & Honour» stammen. Gemäss Antifa war das «Rocktoberfest» die bislang grösste Neonazi-Veranstaltungen in der Schweiz.
Konzertbewilligung durch die Gemeinde
Der Gemeindepräsident von Wildhaus-Alt St. Johann, Rolf Züllig, sagte auf Anfrage von SRF, Einwohner hätten ihn informiert, dass es offenbar viele Rechtsextreme im Dorf habe. Daraufhin habe er die Kantonspolizei in Kenntnis gesetzt. Die Teilnehmer seien mit Bussen aus Deutschland und den Niederlanden angereist, erklärte Züllig. Er selber sei die ganze Nacht vor Ort gewesen.
Züllig bestätigte SRF, dass «es das war, was man unter einem Neonazi-Konzert versteht.» Die rund 5000 Besucher seien in einem «eindeutigen Erscheinungsbild» erkennbar gewesen.
«Ich widerspreche aber heftigst, dass die Gemeinde das Konzert bewilligt hat – sondern wir haben vor ein paar Wochen eine Veranstaltung bewilligt mit einem Gastwirtschaftspatent für Alkoholausschank für die Eventhalle in Unterwasser.»
Der Veranstalter habe angegeben, ein Konzert mit fünf, sechs jungen Schweizer Bands und rund 600 Zuschauern zu organisieren. «Wir wurden komplett hinters Licht geführt», sagte Gemeindepräsident Züllig. «Wir haben sofort reagiert und die Polizei informiert. Vielleicht kann man uns Naivität vorwerfen, aber in der Halle finden immer wieder Anlässe statt.»
Auftritt von Rechtsrock-Bands
Die Organisation Antifa berichtete von Auftritten der Rechtsrock-Bands «Stahlgewitter», «Frontalkraft», «Confident of Victory», «Exzess» und «Makss Damage» aus Deutschland sowie «Amok» aus der Schweiz. Die Bands gelten in der rechten Szene als Grössen.
Von «Stahlgewitter» gibt es Alben mit Titeln wie «Germania über alles» oder «Auftrag deutsches Reich». Letzteres ist in Deutschland indiziert. Die Schweizer Band «Amok» textete den Song «Tage wie diese» der Band «Die Toten Hosen» in eine Neonazi-Hymne um.
Die Konzerte wurden offenbar seit längerem in den sozialen Medien angekündigt und hätten ursprünglich in Süddeutschland stattfinden sollen.
Konsequenzen der Gemeinde
«Wenn wir gewusst hätten, dass die Veranstaltung nur den Hauch von Rechtsradikalismus hat, hätten wir nie ein Patent erteilt», sagte Gemeindepräsident Züllig. Die Gemeindeverwaltung will nun für die Eventhalle in Unterwasser durchdenken, wie Veranstaltungen genauer überprüft werden können.
Die Gemeinde prüfe auch, ob in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei allenfalls eine Personenüberprüfung vorgenommen werden kann. Das seien aber schon sehr weitreichende Konsequenzen. Die Polizei kann nur Ermittlungen aufnehmen, wenn eine Meldung über Gesetzeswidrigkeiten vorliegt.
Die Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann prüft jetzt rechtliche Schritte gegenüber der Person, die sich das Patent für diese Veranstaltung erschlichen habe, erklärt Züllig. Basis sei aber nur das Gastwirtschaftsgesetzt, mit beschränkten Sanktionen.